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Mein Freund die Pflegekraft: Grenzen in der Pflege

Menschen, die in ihrem Beruf andere Menschen pflegen, sind hohen Belastungen ausgesetzt - körperlicher, aber auch psychischer Natur. Über die Herausforderung von Pflegefachkräften, die nötige professionelle Distanz zu ihrem Job zu wahren.

eine junge Frau mit weißem Kittel und Stethoskop | © unsplash

Die Pflege von Menschen ist nicht nur körperlich, sondern auch psychisch anstrengend. (unsplash)

Die Pflege von schwerbehinderten oder älteren Menschen ist ein knochenharter Job. Erstens, weil die pflegerischen Aufgaben körperlich anspruchsvoll sind und innerhalb oft knapp bemessenen Zeitbudgets erledigt werden müssen. Zweitens wird von verschiedenen Interessenverbänden immer noch die niedrige Bezahlung bemängelt. Und nicht zuletzt schlägt sich der Pflegeberuf mitunter auch auf die Psyche nieder.

All dies trägt zu einer hohen Gesamtbelastung für Pflegekräfte bei - und dazu, dass es dem Pflegeberuf insgesamt an Attraktivität mangelt und hierzulande ein Pflegefachkräftemangel herrscht. Der psychische Stress, dem viele Pflegende ausgesetzt sind, liegt einerseits an der berufsbedingten Nähe zu Menschen mit schweren Schicksalen, aber auch an der Schwierigkeit, das Private vom Beruf zu trennen.

Kräftezehrender Beruf

Die alltägliche, körperbetonte, ja vertrauliche Nähe zwischen Pflegekräften und Betroffenen lässt die Grenzen zwischen dem Beruf und dem Privaten oft verschwimmen. Warum gilt es, genau dies zu verhindern? Und wie kann es Pflegenden gelingen, nach Feierabend von ihrem Beruf abzuschalten und die professionelle Distanz trotz intimer Nähe zu wahren?

Thomas Betz kennt diese Schwierigkeiten aus eigener, langjähriger Erfahrung als Krankenpfleger: „Die Arbeit mit behinderten und kranken Menschen ist nicht nur physisch sehr anstrengend, sondern auch psychisch. Zum Beispiel geht es dem zu betreuenden Klienten schlecht, es fallen Arbeiten an, die über das ‚Normale‘ hinausgehen oder es gibt personelle Probleme. Daher ist es wichtig, für sich einen Weg zu finden, der einem die Möglichkeit bietet, nach der Arbeit abzuschalten. Dies gelingt je nach aktueller Situation mal besser und mal gelingt es überhaupt nicht.“

Zwischen Nähe und professioneller Distanz

Brigitte Urban-Appelt pflichtet Betz bei. Als ausgebildete Krankenschwester und diplomierte Pflegewirtin bildet sie heute Pflegekräfte aus. Zudem berät die ehrenamtliche Funktionsträgerin des Deutschen Pflegeverbandes e.V. (DPV) unter anderem zum Thema Praxisanleitung. Sie hält „die Trennung von Job und Privatleben wesentlich für den Leistungserhalt, für die Objektivität und für die Kreativität im Beruf wie im Privaten.“

Gerade bei Berufseinsteiger*innen gilt es daher, auf sich zu achten, wenn die tägliche Arbeit über das geforderte Maß hinausgeht, so Urban-Appelt weiter: „Dies geht am Anfang gut und es stellt sich oft ein gutes Gefühl ein. Später kann dies aber zunehmend zur Belastung werden, Probleme werden in den eigenen Familienalltag mitgebracht. Ebenso wird durch pflegerisches Handeln Nähe geschaffen, wo aus Empathie durchaus ‚Mitleiden‘ entsteht. Und dann ist es nur ein kleiner Schritt zum ‚Mitnehmen‘ ins Privatleben.“

drei Pflegerinnen mit Maske zeigen Herzen mit den Händen | © Rusty Watson/unsplash Pflegekräfte verbringen nicht selten mehr Zeit mit Patienten*innen als mit dem eigenen Partner (Rusty Watson/unsplash)

Insbesondere ambulante Pflegekräfte betroffen

Betz wie Urban-Appelt sehen die Herausforderung der professionellen Distanz jedoch vor allem im ambulanten Bereich. Weil es im stationären Bereich eine Arbeitsteilung im Bezug zwischen pflegerischen und hauswirtschaftlichen, alltagsbegleitenden Aufgaben gebe, diese aber im ambulanten Dienst nicht immer eingehalten werden könne, sagt die Pflegewirtin.

Betz kann das bestätigen: „Die Verweildauer eines Patienten in der Klinik ist normalerweise nur von kurzer Dauer. Ich betreue einen Klienten in der außerklinischen Intensivpflege dagegen bereits seit fünf Jahren. Da verwischt das Verhältnis vom Klienten zum Betreuer in großem Maße. Abgrenzungsversuche sind sehr schwierig umzusetzen, da man auch viele private Dinge nach einer gewissen Zeit miteinander teilt - gewollt und ungewollt.“

„Wir sehen unsere Tätigkeiten nicht nur in der Pflege, sondern begleiten unsere Klienten auch in den Urlaub. Wir gehen gemeinsam auf Veranstaltungen, Ausflüge oder Behördengänge. Dadurch entsteht eine Bindung, die mit der Arbeit in einer Klinik nicht zu vergleichen ist. Es gibt durchaus Situationen, da verbringt man mehr Zeit mit einem Klienten als mit dem eigenen Partner.“

Duschen als Grenzmarkierung

Manche Pflegekräfte entwickeln deshalb Rituale, die beim Abschalten helfen sollen. Wenn etwa Betz nach der Arbeit zuhause angekommen ist und seine Ehefrau, die als Krankenschwester arbeitet, anwesend ist, reden sie kurz über das Erlebte. „Danach gehe ich duschen. Und das Duschen ist für mich persönlich das Zeichen: ‚Jetzt bist du in deiner Freizeit und die Arbeit ruht‘“, berichtet Thomas Betz, Intensivpfleger seit vielen Jahren.

Menschen im Pflegeberuf ist daher anzuraten, auf Symptome wie Schlaflosigkeit, Stimmungsschwankungen, Bluthochdruck, ständiges Nachdenken oder Beschwerden im Stütz- und Bewegungsapparat ernst zu nehmen – allesamt Anzeichen für ein "Nicht-mehr-abschalten-können“.

Was tun bei Überforderung?

Demnächst möchte Betz für seinen aktuellen Verantwortungsbereich neben den Team- und Fallbesprechungen auch Gesprächsrunden anbieten und gegebenenfalls professionelle Unterstützung heranziehen. Er liegt damit in einer Linie mit Urban-Appelt. Diese empfiehlt, dass zur Prävention zusätzlich zu den erwähnten Gesprächsangeboten ebenfalls Kommunikationstrainings angeboten und in Anspruch genommen werden sollten.

Auch ein offenes Gespräch mit den zu pflegenden Personen kann Abhilfe schaffen und für klare Regeln sorgen. „Kommt es dennoch zu Fällen, wo die professionelle Trennung nicht mehr gewährleistet werden kann, empfehle ich Trainings zum Selbstmanagement sowie Stressbewältigungsübungen. Greifen selbst diese Maßnahmen nicht, sollte im Extremfall ein Arbeitsplatzwechsel in Erwägung gezogen werden“, so Urban-Appelt.


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