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Archiviert: 2023-09-09

Gemeinschaftliche Integrationsleistung: Gabelstapler fahren mit Handicap

Als Andreas Hindelang in der Produktionshalle in Aichelau das erste Mal auf seinem neuen Gabelstapler Platz nahm, war ihm die Freude und Erleichterung deutlich anzusehen. Am liebsten wäre er geradewegs ins PARAVAN-Lager gefahren und hätte dort gleich losgelegt.

Gabelstapler in Lagerhalle | © pixabay

Einen Gabelstapler fahren – auch mit Behinderung möglich. (pixabay)

Seit über zwei Jahren konnte er seinen Beruf nicht mehr ausüben. Probleme in der linken Schulter machten ein Manövrieren über das serienmäßige Lenkrad seines Gabelstaplers unmöglich. Dank Space Drive von PARAVAN kann der 52-jährige jetzt wieder seiner Arbeit nachgehen. Den Stapler lenkt er nun via Steer by-wire mit einem Joystick, der an der Tür angebracht ist.

„Sie wissen nicht wie oft er angerufen hat. Wann kommt der Stapler“, berichtet der Werksleiter Roland Stindl von der Kunert Peiting GmbH, einem Papierverarbeitungswerk. Für Andreas Hindelang wäre es keine Alternative gewesen, irgendwo einem Bürojob nachzugehen. Durch einen Arbeitsunfall vor 15 Jahren kam er – damals Maschinenführer – mit der rechten Hand in die Hülsenwickelmaschine und zog sich massive Quetschungen am Unterarm zu. Zahllose Operationen folgten. Trotzdem saß er bereits ein Jahr später wieder auf dem Gabelstapler. Lenken konnte er noch mit dem linken Arm. Mit seinem rechten Arm bediente er mit Hilfe der Armlehne die Joysticks für den Stapler. „Dann habe ich Folie auf die Lehne gelegt, dass der Arm besser gleitet“. Fünf Jahre später konstruierte die Lindevertretung Suffel, spezialisiert auf Entwicklung und Konstruktion eine individuell angepasste Schiebekonsole. Das ging dann weitere sechs Jahre gut.

„Du musst den ganzen Tag lenken. Die Produktion gibt das Arbeitstempo vor“, berichtet Andreas Hindelang. Als Folge des Unfalls war nun die linke Schulter überlastet und ständig entzündet. Lenken mit der ursprünglichen Lenkung ging nicht mehr. Auch ein Versetzen brachte nur kurzfristig Abhilfe. Ende 2017 fing Andreas Hindelang an zu tüfteln, wollte den Stapler mit einer eigenen Konstruktion, angetrieben von einer Akkubohrmaschine als Lenkhilfe steuern. Mit dieser Aktion gab er seinem Arbeitgeber den Anstoß über eine nachhaltige Lösung nachzudenken.

Aus einem Fahrer kann man keinen Büromenschen machen
Roland Stindl

„Hülsenmessung ging von der Motorik her nicht“, berichtet er, blieb nur noch die Verwaltungsarbeit. „Das bin nicht ich“, ergänzt Hindelang. Sein Arbeitgeber erkannte sein Potential und suchte nach Lösungen. Ein langer Weg, der letztendlich zum Erfolg führte. Nach ersten Kontakten zu Gabelstapler-Hersteller Suffel und zur Berufsgenossenschaft gingen die Verantwortlichen auf den Umrüster PARAVAN zu. Die schwäbische Tüftlermanufaktur fertigt individuelle und technisch hochkomplexe Sonderbauten nach den Bedürfnissen der bewegungseingeschränkten Kunden an. Sowohl für den privaten Gebrauch als auch für Firmen, vom Traktor bis hin zum Caterpillar-Radlader.

Mit einem baugleichen Modell wurde die Machbarkeit geprüft sowie der Umbau konzipiert. Dann konnten die Angebote für den Stapler sowie für die Anpassungen von Suffel und PARAVAN erstellt werden. Ende 2019 war es dann soweit, der ersehnte Stapler wurde im Mobilitätspark angeliefert und umgebaut.

Ausgerüstet ist der neue Linde H30 Evo mit dem Steer-by-Wire-System Space Drive. Mit Hilfe des elektronischen und redundanten Lenksystems kann Andreas Hindelang sein Arbeitsgerät zukünftig sicher per Joystick lenken. Nur ein minimaler Kraftaufwand ist dazu nötig, um das Fahrzeug quasi mit den Fingern präzise zu steuern. „Ein Lenkwinkelsensor an der Hinterachse verhindert das Übersteuern der Räder“, informiert PARAVAN-Techniker Marco Neuburger bei der Übergabe, der gemeinsam mit Norbert Heim die Anpassung umgesetzt haben.

Gabelstapler | © unsplash Endlich wieder auf dem Gabelstapler. (unsplash)

„Das Vorhaben Herrn Hindelang wieder zu seinem alten Job zu verhelfen, ist aufgegangen“, freut sich der Arbeitgeber. „Wenn ich einen guten Mitarbeiter habe, möchte ich ihn auch halten.“ Zwar sei der Aufwand für einen einzelnen Arbeitsplatz enorm, doch letztendlich gehe die Rechnung auf, ebenso wie das Ziel Andreas Hindelang wieder sinnvoll in den Arbeitsmarkt zu integrieren, erklärt Reha- Managerin Barbara Held von der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse in Nürnberg. „Die Zusammenarbeit war mit allen sehr positiv. Jeder hat sich sehr engagiert, vor allem wenn es darum ging die optimale Lösung zu finden“, lobte PARAVAN Mobilitätsberater Joachim Glück.

Mitte Januar konnte Hindelang das erst Mal in seinem neuen Arbeitsgerät Platz nehmen. Letzte Anpassungsarbeiten brachten den optimalen Arbeitskomfort. Kaum wieder auf dem Gabelstapler gesessen, wollte er den Kollegen bei PARAVAN gleich helfen. Damit kann der passionierte Staplerfahrer wieder an seinen ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkehren. „Bis zur Rente sollte der neue Gabelstapler jetzt halten“, sagt Michael Willenbücher, Leiter des Sonderbaus und Konstruktion und verantwortlich für die Anpassungen bei Suffel. Gut 200 Betriebsstunden ist das Gerät jeden Monat im Zweischichtsystem im Betrieb. Das sind knapp 2.500 im Jahr.

„Ich glaube einen Tag Arbeit und ich habe es wieder“, sagt Andreas Hindelang. Nach zwei Wochen Wiedereingliederung arbeitet er seit Anfang Februar nun wieder Vollzeit. „Wie als wäre nichts gewesen“, berichtet Werksleiter Roland Stindl. „Jetzt kann ich wieder ohne Schmerzen meine Tätigkeit als Staplerfahrer ausführen“, bestätigt er.


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