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Kann eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch diskriminierend sein?

Öffentliche Unternehmen haben die Pflicht, Bewerber*innen mit Schwerbehinderung zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Andernfalls setzen Sie sich wegen einer Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) möglichen Schadensersatzansprüchen aus. Ein Bericht über ein Gerichtsverfahren, dass den schmalen Grat zwischen Gleichbehandlung und Diskriminierung aufzeigt.

Zwei Personen geben sich am Schreibtisch die Hand | © pexels

Wann kann die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch diskriminierend werden? (pexels)

Sowohl öffentliche als auch private Arbeitgeber*innen müssen gemäß § 81 I 1 Sozialgesetzbuch 9 (SGB IX) prüfen, ob sie Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten besetzen können – falls ja, müssen sie dies im Rahmen des § 71 I 1 SGB IX auch tun.

Kommen die Unternehmen beziehungsweise Organisationen oder Institutionen dem nicht nach, können nach dem Gleichbehandlungsgesetz mögliche Schadensansprüche drohen. Doch können sich ein Arbeitgebende auch dann schadensersatzpflichtig machen, wenn sie einen Menschen mit Schwerbehinderung zu einem Vorstellungsgespräch einladen?

Arbeitssuchender bleibt Vorstellungsgespräch fern

Nach erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung zum Bürokaufmann und eines Studiums der Geschichts- und Sozialwissenschaften bewarb sich ein Arbeitssuchender mit dem GdB (Grad der Behinderung) 100 auf das Stellengesuch eines Landkreises. Der suchte eine Person im Projektmanagement für die Planung und Umsetzung regionaler sowie europäischer Projekte. 
Aus diesem Grund setzte er gute Fremdsprachenkenntnisse – zumindest in Englisch – und einen entsprechenden Hochschulabschluss voraus, z. B. in Politikwissenschaften oder Europa-Studien.

Der Landkreis bestätigte den Erhalt der Bewerbung, die einen Hinweis auf die Schwerbehinderung des Arbeitssuchenden enthielt – erklärte jedoch in einem weiteren Schreiben, dass andere Kandidat*innen die Erwartungen stärker erfüllt hätten. Wegen seiner Schwerbehinderung werde der Bewerber dennoch zu einem persönlichen Gespräch eingeladen – er solle daher mitteilen, ob er trotz der geringen Erfolgsaussichten ein Bewerbungsgespräch wünsche.

In der Folgezeit antwortete der Bewerber weder auf dieses Schreiben noch erschien er zum veranschlagten Vorstellungsgespräch. Stattdessen zog er vor Gericht und verlangte eine Entschädigung wegen Diskriminierung. Die Einladung zum Bewerbungsgespräch benachteilige ihn – die Formulierung zeige schließlich deutlich, dass sich die Verantwortlichen im Landkreis bereits eine Meinung über ihn und seine Fähigkeiten gebildet hätten. Ein persönliches Gespräch trotz geringer Erfolgschancen wahrzunehmen, wäre daher reine „Förmelei“ gewesen.

Bewerber muss für den Job objektiv geeignet sein

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg sprach dem Bewerber die gewünschte Entschädigung in Höhe eines Bruttogehalts nach § 15 II AGG zu.

Allerdings stellte das Gericht zunächst klar, dass der Bewerber für die Stelle eigentlich offensichtlich ungeeignet war und der Landkreis ihm somit ohne Weiteres eine Absage hätte erteilen können – ohne sich schadensersatzpflichtig zu machen. Die Pflicht eines öffentlichen Arbeitgebenden, Menschen mit Schwerbehinderung stets zu einem Vorstellungsgespräch einladen zu müssen, gilt nämlich nur, wenn der*die Bewerber*in für die Stelle auch objektiv geeignet ist, vgl. § 82 Sätze 2 und 3 SGB IX. Das war der Bewerber nicht, da er weder gute Fremdsprachenkenntnisse in seinen Bewerbungsunterlagen erwähnt noch eine Berufsausbildung mit internationalem Bezug absolviert hatte. Auf beides hat der Landkreis aber großen Wert gelegt, da die Projektsprache häufig Englisch ist.

Da der Bewerber aber keine Absage erhielt und stattdessen sogar zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, durfte er allerdings von seiner Geeignetheit für die Stelle ausgehen. Diesen Eindruck verstärkte der Landkreis mit der Erklärung, dass andere Bewerbende seine Erwartungen stärker erfüllt haben. Die Formulierung konnte nämlich nur so verstanden werden, dass er die Person mit der Schwerbehinderung – auch ohne gute Fremdsprachenkenntnisse – nicht von vornherein für ungeeignet hielt, seine Mitbewerbenden das Anforderungsprofil lediglich besser erfüllten. Somit durfte der Landkreis den Bewerber mit Schwerbehinderung auch nicht ungünstiger behandeln als die anderen Kandidat*innen.

Entschädigung wegen abschreckender Mitteilung

Vorliegend hat der Arbeitgebende den Bewerber mit Schwerbehinderung jedoch ungünstiger behandelt, als er ihm bei der Einladung zum Vorstellungsgespräch signalisierte, nur geringe Erfolgschancen zu haben. Dieses Vorgehen widersprach schließlich dem Zweck des § 82 S. 2 SGB IX, der Bewerber*innen mit Schwerbehinderung ein Recht auf ein benachteiligungsfreies Bewerbungsverfahren gibt: Ist der*die Bewerber*in für die Stelle nicht offensichtlich ungeeignet bzw. darf er – wie hier – von seiner Geeignetheit ausgehen, muss ihn der öffentliche Arbeitgeber zu einem persönlichen Gespräch einladen und ihm so die Möglichkeit geben, den*die potenzielle*n Chef*in von sich und seinen Fähigkeiten zu überzeugen. Das kann diese*r aber nur, wenn der Arbeitgebende sich noch keine endgültige Meinung über die*den Bewerber*in gebildet hat.

Der Arbeitgebende hat dem Kandidaten mit Schwerbehinderung zwar zu einem persönlichen Gespräch eingeladen, ihm zeitgleich aber nur geringe Erfolgschancen eingeräumt, was einen Entschädigungsanspruch nach § 15 II AGG rechtfertigte. Es war nämlich davon auszugehen, dass sich der Arbeitgebende bereits eine endgültige Meinung gebildet hat, die er wohl auch in einem persönlichen Gespräch nicht geändert hätte. Zu Recht konnte der Bewerber die „abschreckende“ Einladung deshalb so verstehen, dass er von Anfang an keine faire Chance auf eine Anstellung gehabt hat. 

Allerdings wäre es laut LAG höflich gewesen, das Vorstellungsgespräch rechtzeitig abzusagen.


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