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Leben mit Amputation – Interview mit Katharina S.

Katharina S. verlor als Beifahrerin bei einem Autounfall ihren Arm. Damals war sie 19 Jahre alt. Wie die heute 22-Jährige mit ihrer Amputation umgeht und wie sie die Zeit nach der Amputation erlebt hat, erzählt sie in einem Interview.

Zu sehen ist in der Mitte ein keyvisual eines Blocks und ein Mikrofon | © Hendrike Zahour / EnableMe

In einem Erfahrungsaustausch erzählt die Person, wie sie mit ihrer Erkrankung umgeht (Hendrike Zahour / EnableMe)

Ihre Amputation liegt über zwei Jahre zurück. Wie geht es Ihnen heute damit?

Ich fühl mich wohl in meiner Haut und bin mit mir zufrieden.

Wie lange haben Sie gebraucht, um zu akzeptieren, dass Sie einen Arm verloren haben?

Komischerweise nicht lange. Als ich nach drei Tagen Koma aufgewacht bin, habe ich gesehen, dass der Arm fehlt. Dann wollte ich unbedingt wieder einschlafen, hab mir eingeredet, das wird schon wieder, ich träum nur, aber das war auch nur an dem einen Tag so. Ich bin kein Mensch, der traurig dasitzen kann, wenn alle um mich rum schon traurig sind. Also habe ich gelächelt. Keiner hat es verstanden. Aber ein Sprichwort sagt ja: „Das sind die Starken, die unter Tränen lachen, eigene Sorgen verbergen und andere glücklich machen!“ Das hat mir auf alle Fälle auch geholfen.

Hatten Sie Zeit, sich auf die Amputation vorzubereiten? Oder haben Sie Ihren Arm direkt beim Unfall verloren?

Nein, hatte keine Zeit, mir wurde der Arm bei einem Autounfall als Beifahrerin ganz abgerissen, der Arm lag im Feld und war auch nicht mehr zum Annähen.

Was ging Ihnen als erstes durch den Kopf, als Sie realisiert haben, dass Sie einen Arm verloren haben?

Als Erstes habe ich gefragt, wie es meiner Freundin, die gefahren ist, geht.

Und was als zweites?

Ich schlaf wieder ein und wie geht das jetzt?

Wovor hatten Sie am meisten „Angst“?

Meine Ausbildung nicht fertig machen zu können. War da am Ende des dritten Ausbildungsjahres zur Erzieherin.

Wie hat Ihre Familie reagiert?

Super, mich aufgebaut, aufgefangen, sie waren einfach da und haben mir nie Dinge weggenommen, die ich selber konnte. Haben sich über jeden Fortschritt mit mir gefreut.

Wie Ihre Freund*innen?

Die waren alle für mich da, meine Klassenkameraden hatten mir ein Fotoalbum mit Zitaten gemacht und immer wieder geschrieben „Du packst das!“ Das war klasse. Ich bekam viele Briefe, Besuche und Telefonate, ich hatte nie das Gefühl: „Damit stehst alleine da!“

Meine Freunde waren alle für mich da
Hatten Sie psychologische Unterstützung?

Gezwungenermaßen zweimal, einmal im Krankenhaus und einmal auf der Reha. Ich wollte nie jemanden. Rede darüber lieber mit Menschen, die mich kennen.

Welche Unterstützung/Hilfe haben Sie sonst bekommen?

Ich wurde auf Anschlussheilbehandlung (eben sowas wie Reha) geschickt und habe dort drei Wochen, Medizinische Trainingstherapie, Ergotherapie und, was weiß noch alles gemacht. Das war super. Ansonsten wurden einem mehr Steine in den Weg gelegt als sein müsste. Zum Beispiel, dass ich unbedingt umschulen müsste, weil der Beruf Erzieherin nichts mehr wäre etc.

Was würden Sie heute vielleicht anders machen?

Anders? Ich glaube nichts, ich bin immer meinen Weg gegangen, der hat vielen nicht gepasst. Aber es ist ja schließlich mein Leben.

Was ist Ihrer Meinung nach für Menschen nach einer Amputation am wichtigsten?

Die eigene Persönlichkeit (ich war vorher kein Modepüppchen und Äußerlichkeiten spielten für mich immer eine Zweitrolle). Der Rückhalt von Familie und Freunden. Ohne sie wäre ich nie so weit gekommen.

Die eigene Persönlichkeit ist wichtig
Welche Tipps können Sie Menschen geben, die eine Gliedmaße verloren haben?

Ihr dürft traurig darüber sein und das auch ruhig zulassen, denn es war ein Teil von euch und das hinterlässt eine sichtbare und unsichtbare Lücke. Aber man muss auch nach vorne schauen. Setzt euch Ziele und denkt daran, dass der ganze Weg zum Ziel dazu gehört. Hindernisse, Steine, Berge und Täler. Und seid stolz auf jeden noch so kleinen Erfolg, denn ihr habt ihn euch hart erarbeitet.

Was raten Sie vor allem jungen Menschen, die einen Teil ihres Körpers „verloren“ haben?

Austausch ist ganz wichtig. Schaut im Internet nach. Für mich war es beruhigend zu sehen, was Menschen, denen es genauso geht, alles zu leisten im Stande sind. Ich empfand dies als bewundernswert und toll und als Ansporn. Und außerdem finde ich nicht, dass wenn man zum Beispiel Single ist, man sich unter dem Wert verkaufen muss, bloß weil nur noch ein Arm oder Bein da ist. Man ist deswegen genauso wertvoll wie vorher und darf auch Ansprüche und Wünsche haben und sollte diese auch vertreten.

Hatten Sie Phantomschmerzen oder Stumpfschmerzen?

Stumpfschmerzen, nein. Phantomschmerzen ja und auch immer noch. Ich merke die Phantomschmerzen stark, bei Wetterumschwüngen oder Stress. Weniger, wenn ich mitten in der Arbeit bin, da ich dann ja abgelenkt bin. Ich nehme einmal abends und einmal morgens Garbapentin (das lindert den Schmerz). Phantomgefühl ist immer da. Ich teste nun ein Tensgerät mal sehen, ob sich längerfristig etwas verbessert. Grundsätzlich kann man sagen, dass sich durch die Prothese der Schmerz verbessern KANN, bei mir war es eher so, dass andere Schmerzauswirkungen aufgetreten sind als die, die ich kannte. Aber ich würde sagen, sie befinden sich im Maße des Erträglichen. Manchmal denke ich auch, dass man sich einfach damit abfinden muss und sich daran gewöhnt.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie sich an die Prothese gewöhnt haben?

Eigentlich war es Liebe auf den ersten Blick (lacht). Das erste Mal im Spiegel mit Prothese, war echt der Wahnsinn. Und dann eben üben. Kann es nicht genau sagen, wie lange.

Bei der Prothese war es Liebe auf den ersten Blick
Wie reagieren Menschen, wenn sie bemerken, dass Sie nur einen Arm haben?

Viele schauen, manche starren und Kinder fragen einfach nach.

Was hat sich seit dem Tag, an dem Sie Ihren Arm verloren haben, verändert?

ALLES!!! Man fängt irgendwie komplett von vorne an. Du versuchst ein annähernd normales Leben zu führen, aber es wird nie mehr so sein, wie es einmal war. Das ist eben jetzt ein neues Kapitel im Buch meines Lebens, ein spannendes, schönes, manchmal trauriges, aber im Grunde genommen ein unheimlich wertvolles Kapitel. Ich mache manche Dinge eben anders und andere kann ich gar nicht mehr machen. Da ärgere ich mich dann manchmal.

Hatte der Unfall für Sie auch etwas „positives“?

Ja, ich bin dadurch selbstbewusster und selbstsicherer geworden. Und ich versuche nun mehr, meine Wünsche auch durchzusetzen.

Ich bin selbstsicherer und selbstbewusster geworden
Worauf sind Sie besonders stolz?

Das ich das alles so durchgezogen habe und nun staatlich anerkannte Erzieherin bin mit einem Schnitt von 1,33 und Fachhochschulreife sowie einen Arbeitsplatz im Kindergarten.

Was bedeutet Ihre Behinderung für Sie?

Eine große Einschränkung. Aber auch etwas ganz Wertvolles. Ich durfte Dinge sehen und kennenlernen, die nur sehr wenige Menschen begreifen. Außerdem kann ich durch meinen Beruf vermitteln, dass Behinderung zum Alltag gehört, dass ich deswegen aber trotzdem kein anderer Mensch bin als die, die gesund sind.


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