Skip to Content Skip to Mainnavigation Skip to Meta Navigation Skip to Footer
Skip to Content Skip to Mainnavigation Skip to Meta Navigation Skip to Footer

Amputation im Wandel der Zeit

Die Amputation einer Gliedmaße ist einer der schwerwiegendsten Eingriffe der Chirurgie. Daran hat sich in den vergangenen Jahrtausenden nichts geändert. Der Fortschritt hat vieles verbessern können – auch auf dem Gebiet der Prothetik.

Das Foto zeigt eine bemalte Höhlenwand | © Foto: pixabay

Höhlenmalerie (Foto: pixabay)

Die Amputation von Gliedmaßen ist nach der Schädeltrepanation und der Beschneidung der älteste chirurgische Eingriff. Prothesen wurden nachweislich bereits von den alten Ägyptern verwendet. Seit den ersten nachweislichen Amputationen ist die Entwicklung der Medizin weit fortgeschritten.

Die Steinzeit der Amputation

Die ersten Nachweise von Amputationen stammen vermutlich aus der Mittelsteinzeit (8000 – 6000 vor Christus). Forscher*innen entdeckten Höhlenmalereien mit bildlichen Darstellungen von Amputationen von Fingern. Nicht bekannt ist jedoch, ob die Amputation aus medizinischen oder aus rituellen Gründen stattfand.

Diese Frage kann aufgrund eines Fundes aus dem alten Ägypten eindeutig beantwortet werden. Professor Doktor Andreas G. Nierlich, Wissenschaftler am Pathologischen Institut der Ludwig-Maximilian-Universität in München, stellte 2001 fest, dass eine schwere Arteriosklerose bereits vor 3000 Jahren der Grund für die Amputation einer großen Zehe war.

Nierlich stieß bei Ausgrabungen auf die Mumie einer fünfzig bis sechzig Jahre alten Ägypterin, die zwischen 1065 und 650 vor Christus gelebt haben muss. An der Stelle der großen Zehe befindet sich eine kunstvoll geschnitzte Holzprothese, die die Zehe einschließlich Nagel exakt nachbildet. „Dass die Operation schon zu Lebzeiten der Frau stattgefunden haben muss, erkennt man daran, dass sich über der Amputationsstelle eine intakte Lage an Bindegewebe und Haut befindet“, erklärt der Pathologe in einem Artikel der Medical Tribune vom 25. Mai 2001.

Ebenso lassen Gebrauchsspuren an der Holzzehe auf die Benutzung der Prothese folgern. „Es kann ausgeschlossen werden, dass die Prothese – wie damals für das Leben nach dem Tod üblich - zur Vervollständigung der Mumie erst nach dem Ableben hinzugefügt wurde“, sagt Nierlich im Artikel der Medical Tribune.

Aulus Cornelius Celsus (25 vor Christus bis 50 nach Christus) verfasste im 1. Jahrhundert nach Christus die ersten Beschreibungen der heute noch gültigen chirurgischen Grundlagen der Amputation: „Wir führen daher mit einem Messer einen Schnitt bis auf den Knochen zwischen dem gesunden und dem kranken Gewebe … wobei zu achten ist, dass eher ein Stück gesundes Gewebe mit weggeschnitten wird, als dass ein Stück krankes Gewebe stehen bleibt …“.

Dieses Wissen aus dem 1. Jahrhundert vor Christus ging verloren. Bis ins Mittelalter durchtrennten die Chirurg*innen die Gliedmaßen dort, wo es durch den „Brand“ keine Durchblutung des Gewebes mehr gab. So konnten zwar starke Blutungen vermieden werden, der meist tödliche Wundbrand aber nicht beherrscht werden. Später versuchten Chirurg*innen die Blutungen vorwiegend mithilfe von Glüheisen oder ätzenden Arzneimitteln zu stillen. Kurz auf den Stumpf gedrückt, schlossen sie dort die Gefäße.

Fortschrittliche Pionierarbeit

Mitte des 16. Jahrhunderts führte der französische Chirurg Ambroise Paré als erster Amputationen mit Arterienligaturen durch. Sie lösten die vorher gebräuchliche Kauterisierung, das sogenannte Ausbrennen der Wunde, ab. Bei der Arterienligatur wurden Arterien und Venen systematisch mit einem Seidenfaden unterbunden.

Bis ins 19. Jahrhundert wurden Amputationen vorwiegend aufgrund von Kriegsverletzungen, Seuchen wie Lepra und Tuberkulose, Erfrierungen, Tierbissen und Wundbrand vorgenommen. Wegen der postoperativen Infektionen betrug die Sterblichkeitsrate bis zu vierzig Prozent.
Der Oberstfeldarzt Napoleons, Dominique Jean Larrey (1766–1842) trug viel zur Weiterentwicklung der Amputationstechnik bei. Er erkannte, dass seine Erfolgsquote bei Amputationen größer war, wenn er direkt auf dem Schlachtfeld amputierte, noch bevor eine Infektion der Wunde eingesetzt hatte.

In England brachte Robert Liston (1794–1847) die Amputationstechnik weit voran. Die Messer des kräftigen Mannes waren so konstruiert, dass er mit einem einzigen Rundumschnitt Haut, Sehnen und Muskulatur bis zum Knochen durchtrennen konnte. Die Haut wurde mit der sogenannten „tour de main“-Handbewegung, die Muskeln und das tiefer liegende Gewebe mit der „tour de force“-Kraftbewegung, durchschnitten. Der Chirurg nahm das Messer derart in die Hand, dass er mit einem Mal um das ganze Glied herumschneiden konnte.

Am 21. Dezember 1846 führte Liston die erste Amputation unter zur Hilfenahme der Narkose durch. Bis dahin konnte eine Chirurgin oder ein Chirurg den grauenhaften Schmerzen beim Schneiden und Sägen nur durch Schnelligkeit bei der Operation entgegenwirken.

Von der eisernen zur denkenden Hand

Eine gute Prothesenversorgung war zwar bis Ende des 19. Jahrhunderts auf Grund der hohen Sterblichkeitsrate nebensächlich. Die Konstruktion von Ersatzgliedern ist jedoch bereits seit der Antike überliefert.

Die eiserne Hand des Götz von Berlichingen (1480 – 1562) ist das bekannteste Beispiel. Götz von Berlichingen ließ 1504 eine für damalige Zeiten sensationelle Prothese anfertigen. Die Finger der Prothese konnten mittels Zahnrädchen in bestimmten Stellungen fixiert werden. So konnte der fränkische Reichsritter sein Schwert fest greifen und damit kämpfen.

Der berühmt berüchtigte Pirat Barbarossa Horuk ließ sich seine verlorene Hand durch eine eiserne Hakenprothese ersetzen. Diese starren Prothesen konnten bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts allerdings nur mit der gesunden Hand bewegt werden.

Im Jahr 1812 kam der Berliner Zahnarzt und Chirurgietechniker Peter Baliff auf die Idee, die noch vorhandene Kraft des amputierten Arms zu nutzen, um die Prothese bewegen zu können. Er befestigte Seilzüge um Ellenbogen und Schulter, wodurch die Finger der Prothese bewegt werden konnten. Allerdings musste sich der Prothesenträger beziehungsweise die Prothesenträgerin dabei sehr verrenken, um die künstliche Hand zu bewegen.

Fehlende Beine wurden bis ins 20. Jahrhundert durch Holzkonstruktionen ersetzt. Oberschenkel wurden mit Holzbeinen versorgt, die an den Oberschenkelstumpf geschnallt wurden. Unterschenkelamputierte winkelten ihren Stumpf nach hinten ab und knieten auf einem Stelzbein, das um den Unterschenkelstumpf geschnallt wurde.

Entwicklung durch Weltkriegsopfer

Durch die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts verloren viele Soldat*innen Arme und Beine. Die zahlreichen Opfer trieben die Entwicklung der Prothesen voran.

Der deutsche Chirurg Ferdinand Sauerbruch (1875 – 1951) revolutionierte 1916 die Armprothetik. Bei seinem Sauerbruch-Arm wurde durch den Oberarmmuskel ein Hauttunnel gelegt, durch den ein Elfenbeinstift geschoben wurde. Durch Anspannen des Muskels hob sich der Stift und die Hand schloss sich und griff zu.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden erstmals Elektromotoren benutzt, um die Finger der Hand zu schließen. Seit Ende der 1960er Jahre haben sich myoelektrische Systeme durchgesetzt. Elektroden auf der Haut messen die elektrischen Impulse, die der Armmuskel erzeugt, wenn er angespannt wird. Diese Impulse werden über die Elektronik an die Motoren weitergeleitet und bewegen die Finger.

High-Tech-Prothesen ermöglichen heute, was vor einigen Jahren noch unmöglich schien. Mithilfe spezieller Handprothese kann sogar gefühlt werden. Auch im Bereich der Beinprothetik ist die Zeit der Holzbeine lange passé. In den vergangenen Jahren hat die Feinmechanik enorme Fortschritte gemacht. Heute arbeiten Forscher*innen auch in der Beinprothetik daran, Ersatzteile direkt an das Nervensystem anzuschließen.

Trotz dieser enormen Fortschritte im Bereich der Chirurgie und der Prothetik war, ist und bleibt eine Amputation ein traumatisches Erlebnis. Hilfsmittel tragen dazu bei, die Funktion des verlorenen Körperteils zu ersetzen. Ob sie jemals zu einem voll funktionsfähigen Teil des Körpers werden, entscheidet die Zukunft.


Ist dieser Artikel lesenswert?

Fehler melden? Jetzt Melden.

Haben Sie eine Frage an die Community?