Vertrauen zu Menschen wieder finden

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Hallo zusammen,

ich überlege jetzt schon eine Stunde ob ich diesen Beitrag schreiben soll oder nicht? Ich mache es nun doch.

Ich war bis zu meinem 12. Lebensjahr völlig gesund. Dann kam ein dummer Unfall der eine Behinderung zur Folge hatte, mit der ich bis heute nicht klar komme.

Bitte verzeiht mir wenn ich sie nicht nenne, denn ich schäme mich zu sehr dafür. Ich bin deswegen ab meinem 12. Lebensjahr durch die Hölle gegangen. Menschen haben mich deswegen immerwieder aufgezogen, gehänselt und später auf der Arbeit gemobbt.

Ich bin in Ambulanter Psychologischer Behandlung. Aber ich würde gerne mit euch drüber reden, wie ich wieder vertrauen zu anderen Menschen bekommen kann? Und nicht nur mit meinem Psychologen drüber reden.

Vieleicht könnt ihr mir da ein wenig weiter helfen?

Gruß
Martin

Antworten

  • MyHandicap User
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    Hallo Martin ich finde es gut das du dieses Thema angehst
    Ich weiss auch das Mitmenschen dumm und brutal sein können . Was aber sehr schwer ist Ansichten von Mitmenschen lassen sich selten ändern ,aber du selbst kannst dich ändern . Du hast ein sichtbares Handicap dafür kannst Du nichts und dein Zustand liesse sich vielleicht nur durch eine Operationen ändern . Hier liegt der Hase begraben , ich muss von Vermutungen ausgehen weil du nicht im Stande bist die Art der Missbildung zu beschreiben . Der Liedermacher Jürgen Werth hat ein Lied geschrieben . Du bist du das ist der Clou
    oder Wilhelm Busch sagt . Ist der Ruf erst ruiniert
    dann lebts sich weiter ungeniert
    Du schreibst auch vom blöden Unfall... Es gibt keine Klugen Unfälle.. Was ich sagen will du machst aus dem Ereignis einen Unfall , vielleicht könnte man es aber auch als Wendepunkt betrachten . Du kannst bestimmen wohin dein Weg auch mit Behinderung führen soll
    Der Narr macht aus Möglichkeiten Probleme
    Der Kluge macht aus Problemen Möglichkeiten
  • MyHandicap User
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    Hallo colores,

    ich danke dir für deine sehr nette Antwort. 😀

    Du hast absolut recht das man Menschen nicht ändern kann. Das möchte ich auch nicht. Nur ich igel mich zu Hause ein, ich weis, das dies nicht Sinn der Sache ist aber sobald ich vor die Tür gehe kann ich meine Situation mit einem Wort beschreiben "Angst" einfach nur Angst.

    Ich weis auch das man mir nichts will, aber die Angst das doch jemand was sagt ist ständig da, sobald ich das Haus verlasse. Zu Hause fühle ich mich sicher, vieleicht kann ich sogar sagen geborgen. Wenn ich das Haus verlasse, fühle ich mich wie eine Schildkröte ohne Panzer.

    Ich habe nie jemand etwas böses getan. Ich habe als Berufskraftfahrer in den Firmen in denen ich arbeitete sogar auf begehrte neue Fahrzeuge zu gunsten der Kollegen verzichtet, obwohl mir meine Chefs neue und teure Farzeuge bedenkenlos anvertraut hätten. Und diese Verbesserungen und Angebote habe ich mir erarbeitet und nicht wie man mir immer unterstellte durch schleimen oder in der Art.

    Grüße
    Martin
  • MyHandicap User
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    Hallo Martin,

    die einzige Antwort, die mir darauf einfällt ist: durch Erfahrung - also, indem Du nette Leute triffst, positive Erfahrungen in sozialen Beziehungen machst und Dich in Deiner Wahrnehmung darauf konzentrierst, wenn Leute Dir nett und positiv begegnen. Also: Darüber freuen, wenn Du auf der Straße jemand anlächelst oder grüßt und die andere Person lächelt auch oder grüßt zurück. Nicht darüber ärgen bzw. ignorieren, wenn jemand eine blöde Bemerkung macht. Über eigene Erfolge, auch kleine freuen, nicht über das ärgern, was vieileicht noch nicht klappt.

    Ansonsten: Ich habe da als Nichtbetroffenen natürlich leicht reden, aber ganz sicher ist eine Behinderung absolut gar nichts, wofür mensch sich schämen sollte. Ich würde vermuten, dass wenn Du die Scham loswirst, es Dir dann vielleicht auch weniger ausmacht, wenn Leute etwas Dummes sagen. Es werden Dir sicherlich auch immer wieder Leute begegnen, die sich doof verhalten, aber die Frage ist dann doch, warum es Dir wichtig sein sollte, was irgendwer auf der Straße über Dich denkt oder zu Dir sagt, wenn sich erkennbar die andere Person damit daneben benimmt und nicht du...

    Dass Du in psychotherapeutischer Behandlung bist, ist da sicherlich ein guter Schritt.

    Alles Gute Dir, nicht entmutigen lassen, ananim
  • HALLO Martin,
    mit deinem Betrag hier machst du bereits einen Schritt auf andere zu. Dazu gehört Vertrauen.

    Richtig, wir können andere nicht aendern. Aber wir können ihnen zeigen, wie man mit uns umzugehen hat.
    Wenn du dich selbst wieder moegen kannst, dann trägst du das wie ein Schutzschild automatisch mit.

    Jemand sagte es schon: es gibt keine klugen oder dummen Unfälle. Es gibt Missgeschicke, die in manchen Situationen fatale Folgen haben.
    Das ist menschlich. Wir alle machen Fehler. Die Konsequenz, die wir daraus ziehen sollten ist, sich nach der Lehre für die Zukunft zu fragen.

    Manchmal kann die Konsequenz auch sein, andere vor einem ähnlichen Unfall zu warnen und/oder anderen zu zeigen, das anders sein, heißt sich in einem Punkt von 0-8-15 zu unterscheiden.

    Nachtrag: du schreibst, dass du dich wegen des Unfalls schämst. Ich frage mich, warum. Geht Scham aufgrund eines Unfalls nicht mit Verantwortung einher? Wie kann ein 12 Jahre altes Kind aber für einen Unfall verantwortlich sein. Es kann die Folgen seiner Handlungen nicht so weit überblicken, dass es bewusst anderen schaden kann und daher kann es für diese Handlungen auch nicht voll die Verantwortung übernehmen. Entsprechend haben wir in Deutschland ein Gesetz zur Schuldunfaehigkeit von Kindern unter 14.

    Vielleicht schaust du dir mal ein paar von den ganz gewöhnlichen 12 Jaehrige an. Schaust, wie sie die Welt entdecken, vertrauensvoll, begeistert ohne Wenn-und-Aber, ganz im Hier-und-Jetzt.
    Meinst du, die sollten sich für einen Unfall schämen?

  • Hallo Martin!

    Herzlich Willkommen im Forum!

    Ich habe eine Verständnisfrage, da jemand anderes schrieb, dass man 12jährige nicht für Unfälle verantwortlich machen kann und im Eröffnungstext schreibst du, dass du dich schämst.

    Schämst du dich für den Unfall oder für das daraus resultierende Handicap?

    Wenn ich die "83" in deinem Nick richtig deute, ist sie dein Geburtsjahr, du bist dann heute 30 Jahre alt und der Unfall 18 Jahre her. Du schreibst von Arbeitgebern, die dir neue Fahrzeuge anvertrauen wollten, die du nicht angenommen hast. Daraus schließe ich, dass du noch laufen und Auto fahren kannst, also nicht im Rolli sitzt. Trotzdem scheint deine Behinderung äußerlich sichtbar zu sein.

    Für eine Behinderung, egal welcher Art, braucht sich niemand schämen. Sie gehört jetzt zu dir, ist ein Teil von dir, es gibt dich nicht mehr ohne sie. Versuche, sie für dich anzunehmen, dann wird auch stückweise deine Angst weniger. Du bist hier in einem Forum, wo alle irgendwie mit Behinderung zu tun haben als Betroffene, Angehörige oder Fachkräfte. Du musst hier kein Foto ins Profil stellen, bleibst also anonym. Du bist hier in einer großen Familie von Gleichgesinnten, jeder trägt ein Päckchen unterschiedlicher Größe.

    Dein erster Schritt, hier den Beitrag zu schreiben, ist ein guter und positiver Schritt. Erzähle uns mehr von dir, deinen Ängsten, Sorgen, guten und schlechten Erlebnissen auf der Strasse oder beim Einkaufen oder allgemein im Alltag. Dann können wir dich besser verstehen, dich besser unterstützen.


    Ich wünsch dir viel Kraft für die nächsten Schritte.

    Gruß, Katrin
  • Hallo Martin
    was Kathrin hh und die andern schreiben zielt
    alles ungefähr in die gleiche Richtung Du hast einen ersten Schritt unternommen , nun bleib nicht auf halber Strecke stehen . Der Animationsfilm der diesen Sommer unter dem Titel DIE CROODS lief basiert auf dem Höhlen Gleichnis aus der griechischen Mythologie . Es ist wichtig das du deine Angst überwindest und deine Höhle verlässt

  • Hallo zusammen,

    ich danke euch für die ganz lieben Antworten 😀

    Ja, 83, ist mein Geburtsjahr noch bin ich aber 29 denn ich habe noch Geburtstag dieses Jahr. Ich sitze auch nicht im Rollstuhl Gott sei dank. Ich hab zwar eine Inkomplette Querschnittslähmung aber ich kann laufen, auch wenns manchmal schwer fällt. Und durch die Inkomplette Querschnittslähmung kommt auch mein Prob. über das ich nicht schreiben kann. Ich finde es toll von euch und ich bin mir sicher das hier keiner was abfälliges darüber schreiben wird

    Ich habe schon wieder ganz lange überlegt ob ich es schreiben soll oder nicht. Aber es geht nicht ich kanns nicht sagen.

    Als Berufskraftfahrer habe ich als Busfahrer gearbeitet, aber nach einem Schlaganfall vor zwei Jahren ist Epilepsie dazu gekommen und so war der Beruf futsch.

    Ja, ich versuche mich hier wie in einer Familie zu fühlen weil wie ihr sagt jeder sein Päckchen zu tragen hat. Das dachte ich mir schon und das ist überhaupt der Grund warum ich etwas schreibe 😀

    Die Schule war wie gesagt die Hölle. Wenn ich nachmittags auf dem Spielplatz erschien, hat man mich so lange geärgert bis ich wieder weg ging. Da ich aber den anderen beim Fussballspielen zu sehen wollte (mitspielen hätte ich sowiso nicht gekonnt) bin ich iwann auf die Idee gekommen, Opas Sichel mit zu nehmen und mir in einer Hecke ein kleines Loch zu schneiden so dass ich zu sehen konnte, aber die anderen mich nicht sahen. Das war Nachmittags meine Beschäfftigung, Internet gabs in der Art 1996 leider noch nicht und immer nur zu Hause sitzen wollte ich auch nicht.

    Später habe ich durch meinen Bruder versucht anschluss zu finden der mich zu seinen Kumpels mit nahm. Aber als mir mein Bruder plötzlich sagte das er nur noch selten mit seinen Kumpels die er schon seit Jahren hatte was unternehmen möchte hab ich mir gedacht etwas stimmt nicht und hab nachgehakt. Es kam raus das sie ihn vor die Wahl stellten er oder ich. Ich wollte aber nicht das er wegen mir auf seine Freunde verzichtet und hab das ganze akzeptiert.

    Auch wenn ich Angst vor Menschen habe so wünsche ich mir doch nur das ich wieder Anschluss bekomme. Ach wenn ich nur den Mut dazu hätte.....

    ganz liebe Grüße
    Martin


  • Hallo Martin,

    deinen Satz ...

    martin83 hat geschrieben:

    Auch wenn ich Angst vor Menschen habe so wünsche ich mir doch nur das ich wieder Anschluss bekomme. Ach wenn ich nur den Mut dazu hätte.....



    deute ich so, dass Du dich wohl schon anderen Menschen anvertrauen könntest, d.h. zumindest prinzipiell besteht von deiner Seite kein Problem auf andere zuzugehen. Was Dich davon abhält ist die Angst aufgrund des Handicaps zurückgewiesen zu werden.

    Ich denke es ist erstmal wichtig, dass Du unabhängig davon ob andere dich akzeptieren einen Weg findest dich selbst zu mögen. Definiere Dich also nicht ausschließlich über dein Handicap.

    Versuche mal kurz das Handicap auszublenden und stelle Dir einfach vor Du wärst so wie Du jetzt bist, nur gesund. Wenn Du diesen imaginären Martin, seinen Charakter, sein Denken etc. eigentlich sympathisch findest, dann ist schon mal der erste Schritt gemacht. In einem solchen Zustand bist Du dann schon gefestigter und kannst mit Rückschlägen besser umgehen.

    Wenn Du Anschluss finden würdest ohne diese ersten Schritt gemacht zu haben, würdest Du sofort wieder in ein tiefes Loch fallen wenn der Kontakt wegbricht und die Angst davor wäre dein ständiger Begleiter.

    Als 2.ten Schritt musst Du einen Weg finden wie Du mit deinem Handicap in der Öffentlichkeit umgehst. Es ist wichtig, dass Du damit gut umgehen kannst, denn dann erleichterst Du es auch anderen das Handicap zu akzeptieren. Wenn Du einen Unfall hattest, dann müsste es möglich sein kurz und knapp zu erklären wie es zu dem Handicap kam und wenn Du offen damit umgehst dann merkt dein Gegenüber, dass man darüber mit Dir reden kann und stellt vielleicht sogar noch die ein oder andere Frage zum besseren Verständnis.

    Diese beiden Schritte sind denke ich für jeden Behinderten Grundvoraussetzung wenn er ein einigermaßen normales Leben führen will. Wenn Du deine Situation ehrlich und realistisch einschätzt dann lassen sich Enttäuschungen minimieren. Wenn ich z.B. versuche Anschluss an eine Gruppe zu finden bei der das Zusammensein nur dann einigermaßen klappt wenn ich mich eigentliche überfordere und die anderen sich ausbremsen lassen, dann ist das nix auf Dauer und dann muss man sich Kontakte suchen die besser mit den eigenen Möglichkeiten harmonieren.

    Und wenn Du mit der Zeit (positive) Erfahrungen sammelst oder wichtige Dinge lernst gerade weil Du eben NICHT so ein "normales" Leben führst wie alle anderen, dann fällt der eigene Weg auch nicht mehr so schwer.

    schöne Grüße,
    Marco

    P.S.: Leute die sich über das Handicap eines anderen lächerlich machen haben genügend eigene Schwächen mit denen sie noch nicht gelernt haben umzugehen.
  • Hallo Martin!

    Du sprichst als Handicap von einer inkompletten QSL mit Gehfähigkeit. Kann es sein, dass dein Problem, worüber du nicht sprichst und was dir unangenehm ist, eines ist, was in der Gesellschaft als Tabuthema gilt, wovon aber viel mehr Personen betroffen sind als man denkt?

    Geht es um eine Art von Hilfsmittel, welches im Säuglingsalter und bei vielen Senioren ganz normal ist, aber in einem Alter zwischen Kindergarten und Rente "unnormal" ist?

    Meine Tochter und viele andere mit dieser seltenen Erkrankung, die auf genetischer Erblicher Basis zu einer inkompletten QSL führt, haben auch mit diesem Thema zu tun und gehen offen damit um. Vom Gefühl her geht meine Tochter seltener zur Toilette als ich, wenn sie dann aber "muss", dann darf der Weg dahin nicht weit sein. Wenn man sich dann mit Hilfsmitteln weiterhilft, ist es nicht schlimm. Besser so als das unterwegs ein Unglück passiert.

    Geht es darum? Ich wage es mal auszusprechen, ohne dich erschrecken oder vertreiben zu wollen. Geht es um Inkontinenz? Ich denke, hier im Forum werden sich einige finden, die damit zu tun haben, es aber nicht aussprechen, weil es leider tabuisiert wird.

    Offen damit umzugehen, finde ich, ist der bessere Weg. Wer damit nicht umgehen kann oder will, bleibt weg, wendet sich ab. Dann "lohnt" es sich aber auch nicht, krampfhaft Anschluß suchen zu wollen. Das sind dann keine echten Freunde. Wer damit umgehen kann, wird es dir sagen oder anders zeigen und das sind dann Personen oder Freunde, zu denen man den Kontakt halten sollte.

    So ein Unfall, egal ob schon lange her oder fast frisch passiert, trennt die Spreu vom Weizen, aus 100 Freunden werden 2 oder 5. Das sind dann aber die echten, die wahren Freunde, die auch bleiben, wenn es mal darauf ankommt.

    Ich wünsche dir, dass du einen offenen oder besseren Umgang zu dem Thema findest, es erleichtert vieles. Es gehört zu dir, läßt sich nicht ändern. Sollte es sich um ein anderes Thema handeln, ein offener Umgang mit allem öffnet Türen.


    Liebe Grüße, Katrin
  • Hallo zusammen,

    ich möchte mich bei euch bedanken, für die vielen guten und netten Antworten. Ich weis ihr habt mit euren Antworten alle recht und einige waren echt hilfreich und Toll. 😀

    Und wenn jemand von euch Fragen an mich hat darf er sie gerne stellen. 😀

    liebe Grüße
    Martin
  • Hallo Martin,

    zunächst einmal auch von unserer Seite aus noch herzlich willkommen in der Community! Schön, dass Du MyHandicap gefunden hast 😀
    Eine Übersicht, wie das bei uns funktioniert, bietet dieses kurze Video (selbstverständlich auch mit Untertiteln): http://www.myhandicap.de/guided-tour.html

    Du hast aus der Community schon einige gute Hinweise erhalten (vielen Dank dafür, Leute 😀 ).

    Vielleicht ist diese Online-Plattform ja auch eine gute Möglichkeit für dich, ein wenig mehr Vertrauen zu anderen Menschen zu "üben".

    Wie bereits geschrieben wurde, befindest Du dich auf einem guten Weg. Hierfür wünsche ich Dir weiterhin viel Erfolg.

    Bei weiteren Fragen wende Dich gern jederzeit wieder an mich oder meine Kollegen oder die Community. Wir alle hier freuen uns, wenn wir helfen dürfen 😀
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