Störung b. myoelektr. Armprothese

Störung bei Myoelektronischer Armprothese

Laut Hersteller kommen bisher Störungen durch externe Stromquellen (Kühlschrank, Dimmer, ...) nicht vor.
Im Alltag macht die Prothese "was sie will", wenn sie in die Nähe von Stromquellen kommt.

Antworten

  • ich habe wegen solcher überlegungen jetzt seit fast 1 jahr eine eigenkraftprothese und die ist sehr zuverlässig.

    aber das problem interessiert mich. kannst du das problem genauer beschreiben:
    - in welchem abstand zum strom geht das los?
    - was macht die prothese genau? auf, zu, drehen im handgelenk?

    danke!
  • Hallo,vielen Dank für deine schnelle Antwort!

    Die Prothese reagiert unterschiedlich,z.B. geht die Hand am Kühlschrank nicht mehr auf, in ca. 30 cm Abstand zu einer Zeitschaltuhr dreht das Handgelenk, in der Nähe von Waschmaschine oder Herd etc. spinnt Handgelenk oder Ellbogengelenk.....
    Das eigentlich frustrierende ist halt, dass der Hersteller sagt, sowas sei bei ihnen noch nicht vorgekommen und bisher das Problem auch nicht in den Griff bekommt.
    Ich selber bin nicht direkt davon betroffen, da ich "nur" die Ergotherapeutin bin. Ich will mich aber mit der Situation so auch nicht abfinden und suche auf diesem Weg halt Infos über Erfahrungen. Die Prothese ist zur Berufsausübung halt auch total wichtig und leider auch die Nähe zu viel Technik wie PC.
    Was wurde zur Behebung der "Probleme " mit der Prothese bei dir versucht?
    Wie gut kommst du im Alltag mit der neuen Prothese zurecht?

    lieben Gruß
    Kigo
  • ich habe eine eigenkraftprothese - dh. es gibt einen schultergurt und einen kabelzug. vorne am handgelenk gibt es einen schnellverschluss, ich kann einen hook oder eine hand dort befestigen, die rotation am handgelenk einstellen und es mit dem schultergurt aufziehen, worauf es (hand oder hook) wieder zugeht.

    batterie- oder interferenzprobleme gibt es überhaupt keine 😀 das ding ist voll mechanisch. ein erfahrener physiotherapeut hat mir geraten, ein paar jahre beim kabelzug zu bleiben und inzwischen ist es tatsächlich so, dass man sich an die vorteile - wartungsarm, leicht, extrem gut steuerbar, robust gegenüber feuchtigkeit, verschmutzung, ... - sehr rasch gewöhnt.

    wir haben mit teilen eines grossen deutschen prothesenherstellers angefangen. folgende probleme traten auf und wurden von uns im sinne einer umfassenden modifikation (analog fahrzeugtuning) gelöst:

    1. die schultergurt-original-plastikhülle begann bei mir rasch zu stinken (schweiss) trotz versuch einer aufwendigen einhaltung der hersteller-tips (t-shirt 2-3 x tgl wechseln, mit spezieller lösung reinigen). diese plastikhülle habe ich gegen ein stück latex-mountainbike- rad-schlauch ausgetauscht und seither riecht / stinkt gar nichts mehr.

    2. original hersteller-kabelzug war aus perlon; material und aufhängung habe ich mehrfach aus verankerung gerissen; dies wurde durch 2 mm dickes stahlseil ersetzt und statt der mitgelieferten schraubverschlüsse habe ich eine kabelklemme aus dem metallwarenhandel verwendet. jetzt hält es.

    3. die ersten beiden hooks scheuerten an der kabelöse das stahlseil extrem rasch durch, jeweils innert ca. 1-2 wochen, dann bling - kabelriss; eine technische prüfung bei der brugg drahtseil ag ergab die notwendigkeit einer kugelaufhängung. das wurde inzwischen realisiert. der daraufhin gelieferte neue hook ist sehr gut, was form, verschlusskraft mit 2 federstellungen, gewicht angeht; das relativ rasch instabil werdende hook-gelenk wird derzeit zur erhöhung der stabilität durch ein paar kollegen etwas umgebaut.

    4. das handgelenk hat am schnellverschluss ein loch für die bolzen der hook / hand. aufgrund fertigungsbedinger stabilitätsprobleme (wackeln und drehinstabilität nervt wirklich) haben ein paar kollegen und ich (wir kennen uns da etwas aus, könnte man schon sagen) ein neues handgelenk entworfen, von dem ich gerade den ersten prototypen trage - der zweite auf unseren erfahrungen aufbauende prototyp ist nun in produktion, das interesse bei einigen anwendern offenbar schon sehr gross.

    5. der handschuh für die hand war aus pvc - praktisch glatt aber schaute etwas gewöhnungsbedürftig aus. derzeit habe ich silikonhandschuhe in evaluation, da schauen wir gerade, welcher hersteller sich bewähren wird.

    was den kundenservice des herstellers angeht, so wünsche ich generell viel glück. meine erfahrung ist, dass der hersteller auch mir gegenüber bei mehreren problemen mitteilten, ich sei der einzige und alle meine probleme seien sehr unüblich. da es hintenherum natürlich unter anwendern ev. völlig anders klingt, stehen zwei optionen offen: den hersteller überzeugen, beknien, ... oder das problem anders oder selbst lösen.

    es war übrigens mit ein grund, dass ich im vorfeld erfuhr, dass der hersteller-kundenservice eines grossen deutschen prothesenherstellers bei funktionsfehlern bei myoelektrischen armprothesen aus sicht gewisser anwender sagen wir mal "speziell" sei, dass ich darum zunächst einen riesen-bogen machte und nun eine eigenkraftprothese habe. deine angaben ergänzen diese wahrnehmung ein bisschen.

    meine prothese ist inzwischen extrem gut brauchbar, ich kann am pc sicher sehr gut tippen (hook oder hand), zum handwerken, pc umbauen, öl im auto nachschauen, usw ist der hook ganz gut, da ihm dreck nicht viel ausmacht und die hand ist für alles situationen sonst sehr gut. das ding ist relativ leicht, die kabelsteuerung extrem rasch leise und genau, also ich bin inzwischen sehr zufrieden, ich trage die prothese jeden tag zur arbeit. da der hersteller aber eine mir nicht nachvollziehbare politik im umgang mit kunden zu betreiben scheint, hat es sich bewährt, die probleme zunächst sauber zu foto- und videodokumentieren und dann rasch selber anzupacken, statt auf wunder zu hoffen.

    dass myoelektrische prothesen etwas eigensinnig sein sollen, habe ich von anderen leuten auch gehört. diese probleme sind offenbar nicht selten, und vor allem ärgerlich.

    falls es an der zeit wäre, eine "armprothesen-benutzer-vereinigung" zu gründen, um austausch oder z.b. hilfestellung bei der formulierung, dokumentation und allfälliger lösung spezifischer probleme zu haben, würde mich sowas auch interessieren.
  • weil armprothesenträger keine erkennbare lobby haben, könnte man meinen, dass sich gewisse prothesenhersteller mit schmalspurbastelei begnügen und den rest über einen "effizienten" kundendienst "lösen" könnten - und wenn jemand das jetzt meint, also, ich könnte das dann unmöglich weiter kommentieren. das müssten wir so stehen lassen.

    aber dass stromquellen elektronik im körper stark beeinflussen können, muss man nicht mühsam bei einem solchen prothesenherstellern erfragen.

    diese probleme gibts auch bei herzschrittmachern und da gibts auch zahlen zur häufigkeit:

    http://www.iss.it/binary/publ/cont/STAMPA%20ANN_07_39_Censi.1190883787.pdf

    von bis zu 37% störungshäufigkeit sank diese *nach* einführung spezieller schaltkreise auf etwa 1,5% laut dieser arbeit. das ist eine menge!

    sowohl das problem (stromquellen, strom, geräte beeinflussen am menschen verwendete schaltkreise) wie lösungen (spezielle schaltkreise, ev. abschirmung) ist auf anhieb im internet findbar.

    das problem ist also klar erkennbar und beschrieben.

    andere ev. störungsresistentere ansätze zur signaldetektion bei armprothesen sind hier beschrieben:

    http://openprosthetics.org/myoelectric

    daraus geht auch hervor, dass interferenzen *bei armprothesen* ein klar bekanntes problem sind. profis wissen das also.

    daher kaum denkbar, dass da noch niemand was dagegen unternommen hat.

    eventuell gibts beim us-hersteller 'motion control' sogar bereits einen passenden schaltkreis, "emg preamplifier":

    http://www.utaharm.com/myolab.php

    man könnte sich ja mal erkundigen, ob die prothesen-komponenten von motion control bessere abschirmung liefern können. mal in amerika anrufen und fragen (achtung etwas zeitverschiebung): Motion Control, Inc. 115 N. Wright Brothers Drive • Salt Lake City, UT • 84116 - Phone: 801.326.3434 • Fax: 801.978.0848 • Toll Free: 1.888.MYO.ARMS (696.2767) oder per mail an infoutaharm[dot]com

    lass wissen was du herausbekommst 😀


  • Danke für deine toll ausführlichen Infos!
    Eine Eigenkraftprothese wird von ... abgelehnt. Mal schauen, was sich bezüglich der Schwierigkeiten mit der Elektronik tut oder tun läßt. Ich meld mich, wenn es was "Neues "gibt. Meine Aufgabe bei der Sache ist ja eigentlich auch nicht die Elektronik und ich bin technisch sowieso nicht fit, also kann ich nur Infos zusammentragen und so versuchen Bewegung in die Sache zu bringen.

  • Ja, es haben eben alle Prothesen ihre Vorteile und Nachteile.

    Die Eigenkraftprothese hat den Nachteil, dass sie altertümlich aussieht (und vom Konzept her ja auch ist), dass sie einen Schulterzug benötigt, dass auch nicht wirklich alle Arbeiten problemlos möglich sind (Deckenlampen über Kopf montieren habe ich schon gemacht, ist aber eine Herausforderung) - aber Vorteile - extrem bequem, leicht, blitzschnell und ultraresponsiv, unabhängig von Strom und Batterie, zu Hause z.T. selbst reparierbar (etwa wenn der Kabelzug kaputtgehen sollte)und so günstig, dass man so eine notfalls selbst noch dazukaufen könnte. Für starke elektrische Felder - bei der myoelektrische Prothesen nicht laufen werden - wäre das sogar die intelligente Wahl.

    Myoelektrische Prothesentechnik werde ich demnächst auch testen und dann sicher auch ausprobieren, ob ich statt der Otto Bock Batterie auch 4 AA-Zellen verwenden kann, was sich mit dem Signal anstellen lässt, usw. Dabei scheinen die geschilderten Nachteile mit Interferenzen wie aber auch der Auslöseverzögerung in gewissem Sinne Bestandteil dieser myoelektrischen Technologie zu sein - also ein grundsätzliches Problem der Signalübertragung Muskel-Elektrode-Motörli! Das kann man dann ja auch nicht alles dem Hersteller anlasten. Und wieviel Komponenten-Hersteller bei *fertigen* Prothesen (mit bereits eingeklebten / verbauten Teilen) da noch was retten können, hängt wohl noch etwas von deren Konstruktion ab (ich bin z.B. dabei, mir was experimentelles zum Basteln zu organisieren, sieht dann aber nicht sofort automatisch ultraelegant aus....). Ich bezweifle aber, dass da auf Anhieb viel verändert werden kann.

    Wenn man mal einsieht, dass das wirkliche Lösen schwieriger Alltagsprobleme gar nicht primär die Aufgabe der Prothesenteile-Hersteller sind (die wollen z.T. nur toll dastehen, Grundversorgung und technisch saubere Lösungen zu guten Preisen sind für die vielleicht kaum interessant, da wir eben keine Arm-Amputierten-Lobby mit einem technischen Beirat haben, der wirklich was von der Sache versteht), und auch nicht der Orthopädietechnik (die sind ja keine Fachelektroniker, sondern vor allem um bequeme und stabile Konstruktion der Prothese bemüht)dann muss man sich wohl oder übel selbst dranmachen. Oder resignieren, auch eine Option.

    Ich würde also schauen, ob man mit der Armprothese mal in die Entwicklungsabteilung eines Herzschrittmacher- oder Natel-Herstellers gehen kann. Und dort einen Termin mit einem der Ingenieure abmachen. Und dann besprechen, welche Art der Schaltung wohl Sinn machen könnte, ob es eine Art Antenne oder Abschirmung braucht, und so weiter. Und das Ergebnis dann gut dokumentieren und an die Prothesenherstellerfirma senden, oder so.

    Man könnte ja vielleicht sogar mal bei Otto Bock nachfragen! Die haben scheints eine eigene Entwicklungsabteilung! In Duderstadt! Und es gibt bald einen Showroom, ein eigenes Haus mit vier Etagen! Am Potsdamer Platz, in Berlin! Die müssten doch wissen, wie es geht 😀
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