Hallo, hat behinderter Arbeitnehmer Anrecht auf Arbeitszeugnis von Behindertenwerkstatt?

Mein Sohn war 2 Jahre in Behindertenwerkstatbeschäftigt. Jetzt hat er Stelle im 1.Arbeitsmarkt gefunden, aber Werkstatt weigert sich Arbeitszeugnis auszustellen.
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Antworten

  • Es ist schön das Dein/Euer Sohn Arbeit gefunden hat
    In der Schweiz ist der Arbeitgeber verpflichtet ein Zeugnis auszustellen , und ich hoffe das ist in Deutschland auch so .
    Sonst würde ich selber eins schreiben und vom Arbeitgeber unterschreiben lassen .
  • Danke colores. Das "normaler" Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis aufstellen muss, ist bekannt. Nun in Behindertenwerkstätten sind keine gewöhnliche Arbeitnehmer beschäftigt! Deswegen explizit bezüglich BEHINDERTENWERKSTÄTTEN - sind sie verpflichtet auf verlangen ein Arbeitszeignis auszustellen (evtl.Gerichtsbescheide).Für einen Behinderten ist doch besonders wichtig, guten Zeugnis vorweisen zu können, sonst entsteht 2-Jährige Lücke im Lebenslauf.Besten Dank im Voraus an alle für sachliche Antworten.
  • Selbstverständlich gibt es in Deutschland auch eine gesetzliche Verpflichtung der Ausstellung eines Arbeitszeugnisses!

    Dieses wird in 2 gesetzlichen Paragraphen festgehalten.
    1. Im Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB): § 630 BGB
    2. In der Gewerbeordnung (GewO): § 109 GewO

    Siehe dazu Anhang.

    Gruss
    rollispeedy
  • rollispeedy - besten Dank für die Antwort, obwohl fehlt wiederum Bezug auf BEHINDERTENWERKSTATT. Danke für Deine Mühe und nützlichen Anhang. Aber letztendlich: Muss eine Behindertenwerkstatt Arbeitszeugnis auf Verlangen ausstellen? Sie sagen, dass bis jetzt nie einen Zeugnis ausgestellt haben (was ich kaum glauben kann). Und weigern sich einen ausstellen. Somit entsteht im Lebenslauf Lücke 2 Jahre, zusätzlich zu 5 Jahren, als mein Sohn nicht arbeiten konnte. Gruß an alle engagierte Teilnehmer des Forums und Dank im Voraus für Bezug eben zu BEHINDERTENWERKSTATT.
  • Natürlich ist die "Unterbringung" in einer Behindertenwerkstatt genauer zu betrachten.
    Aber wenn hier die betreffende Person "Arbeiten verrichtet" hat, die zu einem gewerblicher Betrieb gleichzusetzen ist, "unabhängig des Beschäftigungverhältnisses", ist ein Arbeitszeugnis auszustellen.

    Das Zeugnis stellt nicht das Beschäftigungsverhältnis dar, sondern gibt Zeugnis wie jemand seine Arbeit verrichtet hat unter den vorgegebenen Arbeitsanweisungen und Arbeitsauftrages.

    Gruß
    rollispeedy

  • Hi rollispeedy, ich versuche mit Deinen Argumenten weiter zu kommen...Aber evtl.Verweis auf ein Gerichtsbescheid, Gesetz bzgl. Behindertenwerkstatt usw.wäre mir lieber. Nochmals besten Dank und ein schönes Wochenende.
  • Mir persönlich ist es auch nicht bekannt, das "Arbeitszeugnisse" aus solchen Beschäftigungsverhältnissen (Beschäftigung in einer Behindertenwerkstatt wegen verschlossenem Arbeitsmarkt bestimmter Personengruppen - will ich es mal so nennen) ausgestellt werden.

    Jedoch, wenn jemand wieder in den regulären 1. oder 2. Arbeitsmarkt kommt, hat er immer das Anrecht, von seinem bisherigen Arbeitgeber (und mag es eben auch eine Behindertenwerkstatt sein) ein Arbeitszeugnis zu erhalten.
    Behindertenwerkstätten werden unter besonderen Regelungen durch die öffentlichen Sozialkassen mitfinanziert. Da gibt es diverse Sonderregelungen der Begrifflichkeiten der Beschäftigung von behinderten Menschen. Um diese nicht unmenschlich klingen zu lassen und diese nicht mit dem Gesetzen des 1. und 2. Arbeitsmarktes kollidieren zu lassen wird das Arbeitsverhältnis mit dem regulären Arbeitsmarkt nicht gleichgesetzt.
    Aber am Ende ist es dennoch ein Arbeitsverhältnis welches auch eine Berechtigung eines Arbeitszeugnis hat bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.

    Gruß
    rollispeedy

  • Endlich habe ich hoffentlich genug Argumente! Danke rollispeedy! Das war wirklich treffend vorgetragen, da spührt man, dass sich einer mit Problematik auseinandergesetzt hat. Gruß und Annerkennung.
  • Hallo garfield-89,

    wie ist die Sache denn jetzt ausgegangen?
  • Hallo Justin, leider habe ich gestern in Privatnachrichten geantwortet... Ich wollte eigentlich berichten, dass Behindertenwerkstatt hat die Ausgabe einer "Certificate" zugesagt hat. Das ist aber kein Arbeitszeugnis, das man zu einem Lebenslauf beilegen kann. Besagtes Certificate bestätigt nur, dass mein Sohn war 2 Jahre in der Werkstatt beschäftigt und wird auch vom Arbeitsamt unterschrieben. Was wir brauchen - ein Arbeitszeugnis, aus dem 4 Verbesserungsvorschläge (alle umgesetzt), einwandfreies Verhalten, Neugierde, Initiative usw. ersichtlich sind. Damit tuen sich die Damen und Herren schwer und somit verbauen schwerbehinderten Menschen berufliche Zukunft. Ihr Argument, dass sie so was noch nie erstellt haben, ist lächerlich. Zugegebenermaßen, eine Mehrheit ihrer "Mitarbeiter" verbringen ganzes Berufsleben in der Werkstatt, somit brauchen sie auch kein Zeugnis. Wenn aber einer sich zu 1.Arbeitmarkt aufraffen kann, muss man ihn doch unterstützen und nicht zusätzliche Steine auf den Weg legen. So läuft es in Moment. Gruß
  • Hallo garfield-89,

    ich habe unseren Fachexperten auf den Thread hingewiesen. Bitte hab ein klein wenig Geduld.
  • Sehr geehrtes Forenmitglied,

    die Frage, ob behinderte Menschen in einer Behindertenwerkstatt Arbeitnehmer sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Das Sozialgesetzbuch IX legt nur fest, dass behinderte Menschen, die in Werkstätten tätig, aber keine Arbeitnehmer sind, in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis stehen. Eine klare gesetzliche Abgrenzung zwischen arbeitnehmerähnlichen Personen und Arbeitnehmern gibt es so nicht.

    Das Bundesarbeitsgericht hat aber definiert, dass sich arbeitnehmerähnliche Personen von Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit unterscheiden. Arbeitnehmerähnliche Personen sind in die betriebliche Organisation nicht eingegliedert und können relativ frei über ihre Zeit bestimmen. Beiden Beschäftigtengruppen gemeinsam ist die soziale Schutzbedürftigkeit.

    Ergibt sich nach diesen Kriterien, dass Ihr Sohn Arbeitnehmer ist, dann hat er auch alle Rechte eines Arbeitnehmers.
    Kriterien sind z.B. Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen und Einkommenssteuer, Urlaubsregelungen usw…

    Der Zeugnisanspruch ist gesetzlich normiert:

    Gewerbeordnung
    § 109 Zeugnis

    (1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.

    (2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.

    (3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

    Sollte sich die Werkstatt weiter weigern, kann der Anspruch auch eingeklagt werden. Dazu sollten Sie sich dann zusammen mit Ihrem Sohn an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht in Ihrer Nähe wenden.
  • Ich denke, man muss nicht unbedingt den Rechtsweg begehen.
    Hier reicht auch einfach mal eine netter Anruf bei dem zuständigem Integrationsamt aus, um die Werkstattleitung auf ihre Pflichten durch das Integrationsamt hinweisen zu lassen.

    Wie ich bereits in einer meiner vorherigen Threadbeantwortung ebenso die gesetzliche Lage dargestellt habe, ist ein Beschäftigungsverhältnis in einer Behindertenwerkstatt (finanzielle öffentliche Förderungen von Behindertenwerkstätten zur Beschäftigung von Personen,die auf den regulären Arbeitsmarkt nicht vermittelt werden können, da dieser für diese verschlossen ist) ist auch ein Arbeitsverhältnis.
    Personen die durch die Bundesagentur für Arbeit in solche Einrichtungen vermittelt werden, stehen automatisch dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch nicht mehr zur Verfügung (z.B auch durch Schulungsmaßnahmen) und werden statistisch aus der Arbeitslosenstatistik heraus genommen.

    Der Weg über einen Rechtsanwalt verursacht ggf. Kosten die nicht nötig sind, daher einfach mal beim örtlichem Integrationsamt (nicht Versorgungsamt!!!!) anrufen oder vorstellig werden und die Situation schildern, das wäre der einfachste Weg!

    Schaut aber einfach mal in den vertraglichen Unterlagen nach, unter welchen Vertragsinhalten die Beschäftigung in der Behindertenwerkstatt zustande gekommen ist.
    Ist die Beschäftigung in der Behindertenwerkstatt aufgrund einer Form von Tagespflege (Aufsicht) mit Beschäftigungstherapie zustande gekommen, besteht kein Anrecht auf ein "Arbeits-Zeugnis", da es keine Arbeit im herkömmlichem Sinne war.

    Gruß
    rollispeedy
  • Liebe Freunde Florian Teßmer und rollispeedy, besten Dank! So werde ich auch tun - über Integrationsfachdienst (sie bekommen auch Geld für "Begleitung" meines Sohnes in der Firma, obwohl noch nie da waren). Ich hoffe, unser Fall bringt was nicht nur für meinen Sohn, sondern auch für viele behinderte Menschen, für die Kommunikation mit Behörden und "Chefs" von oben bis unten besonders schwierig ist. Nochmals - vielen Dank und allen Forenteilnehmer - viel Gluck und Optimismus in allen Lebenslagen.
  • Ich schätze mal, da liegt wieder ein "Irrtum" vor.
    Hier werden verschiedene Institutionen durcheinander geworfen.
    Es gibt verschiedene Ämter, Behörden und Institutionen.
    1. Versorgungsämter , Feststellung einer Behinderung, Aufsichtsführendes Amt der Beachtung des Kündigungsschutz von behinderten Menschen, usw.
    (in manchen Bundesländern nennt sich dieses Amt auch anders, z.B. Bayern: ZBFS = Zentrum Bayern - Familie und Soziales)
    2. Integrationsamt, zuständig für Förderungen für Hilfen, Ausgleichsabgabe der Arbeitgeber, usw.
    3. Integrationsfachdienst, Integrationsfachdienste sind Dienste Dritter, die bei der Durchführung der Maßnahmen zur Teilhabe schwerbehinderter und behinderter Menschen am Arbeitsleben beteiligt werden.

    Gruß
    rollispeedy
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