Haftpflichtversicherung zwingend notwendig ?

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Das gilt ja wohl nicht für Menschen mit geistiger Behinderung, die nicht geschäfts- und deliktfähig sind

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  • Das stimmt im Grundsatz schon:
    Menschen mit geistigen Behinderungen haften im Schadenfall nicht, da sie deliktunfähig sind. So bleiben ggf. Geschädigte auf ihren Ansprüchen sitzen oderes kommt jemand ersatzweise für den Schaden auf.
    Aber es gibt durchaus Versicherungen, die passende Verträge anbieten.

    Die Versicherung verpflichtet sich darin vertraglich, für den/die VersicherungsnehmerIn und die mitversicherten Personen die Berechtigung eines angemeldeten Schadens dem Grunde und der Höhe nach zu überprüfen und danach entweder
    a) den Anspruch als unbegründet abzuwehren oder
    b) bei Berechtigung den Anspruch bis zur Höhe der
    vereinbarten Deckungssumme zu befriedigen. Versicherungsschutz besteht für fahrlässig verursachte Schäden; vorsätzlich herbeigeführte Schäden sind vom Versicherungsschutz ausgenommen.

    Genaue Auskünfte erteilt sicher ein Versicherungsmakler, eine Beratungsstelle oder auch die Lebenshilfe e.V. Ich würde mich auf jeden Fall um eine Haftpflichtversicherung bemühen.

    Viele Grüße von waldi


  • Hallo ballwanz,
    laut dem Rat unseres Fachexperten für Recht und Soziales ist die Antwort auf deine Frage wie folgt

    1. Haftpflichtversicherung
    Das Wort „Haftpflichtversicherung“ suggeriert auf dem ersten Blick eine Pflichtversicherung für jedermann. Dies ist jedoch nicht uneingeschränkt der Fall. Man muss dabei zwischen den unterschiedlichen Arten von Haftpflichtversicherungen unterscheiden. Zu den Pflichtversicherungen gehört unter anderem die Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters, Berufshaftpflicht oder Rentenversicherung. Die Privathaftpflichtversicherung hingegen zählt nicht zu den Pflichtversicherungen.
    Die gesetzlich normierte Haftung zwingt jeden Verursacher eines Schadens, unabhängig ob es sich dabei um Personen- oder Sachschäden handelt, zu entsprechender Entschädigung. In den meisten Fällen handelt es sich bei der Regulierung von Schadensfällen um finanzielle Ansprüche. Das Bürgerliche Gesetzbuch normiert unter anderem in § 823 Abs.1 BGB die Haftung desjenigen, der einem anderen durch Fahrlässigkeit oder Vorsatz einen Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz eines daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

    Für diese Fälle kann eine Private Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden. Die Haftpflichtversicherung ist eine Art der Schadensversicherung. Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer den Schaden zu ersetzen, den dieser durch eine Leistung auf Grund seines Handelns für einen während der Versicherungszeit eintretenden Umstand erleidet (Haftungsfall). Auch von Ansprüchen Dritter muss der Versicherer den Versicherungsnehmer freistellen und unbegründete Ansprüche abwehren, § 100 VVG. (Andrea Schmidt, Creifelds kompakt, Rechtswörterbuch; 3. Edition 2020, Haftpflichtversicherung)


    2. Haftung von Menschen mit geistiger Behinderung, die nicht geschäfts- und deliktsfähig sind
    Ausschließlich geschäfts- und deliktsfähig handelnde Menschen können die Folge ihres Verhaltes zugerechnet werden.
    Die Geschäfts- und Deliktsfähigkeit bilden Unterfälle der Handlungsfähigkeit.

    a. Geschäftsfähigkeit
    Gemäß § 104 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist derjenige geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.
    Für die Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB ist eine krankhafte Beeinträchtigung der geistigen Betätigung entscheidend. Insbesondere werden davon Geisteskrankheit und Geistesschwäche erfasst (BGH WM 1965, 895 f.; RGZ 130, 69 [71]; 162, 223 [228]; OLG München FGPrax 2010, 29 [30]; Staudinger/Klumpp, 2017, Rn. 11).

    Dabei ist zu beachten, dass die Anordnung einer Betreuung nach § 1896 BGB keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten hat (Cypionka NJW 1992, 207 [208 f.]; Staudinger/Klumpp, 2017, Rn. 11). Es kommt alleine auf das Vorliegen der in § 104 Nr. 2 BGB aufgeführten Voraussetzungen an.

    Ist der Handelnde nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig, folgt aus § 105 Abs. 1BGB die Nichtigkeit der abgegebenen Willenserklärung. Wurde dem geschäftsunfähigen Handelnden gegenüber eine Willenserklärung abgegeben, wird diese nach § 131 Abs.1 BGB mit Zugang bei seinem gesetzlichen Vertreter wirksam (gesetzlicher Erziehungsberechtigter § 1629, Betreuer § 1902 BGB).

    Beruft man sich in einem Streitfall auf die Geschäftsunfähigkeit, müssen ihre Voraussetzungen dargelegt und bewiesen werden.


    b. Deliktsfähigkeit
    Deliktsfähig ist derjenige, der die Konsequenzen seines Handelns verstandesmäßig einschätzen kann. Die Deliktsfähigkeit des Schädigers, auch bekannt unter der Verschuldensfähigkeit oder Zurechnungsfähigkeit, ist ein individuelles Zurechnungskriterium der Haftung.
    Erfahrungsgemäß kann ein individueller Verschuldensvorwurf nur jemandem gemacht werden, der deliktsfähig ist. Gemäß § 827 S. 1 Alt. 2 BGB ist derjenige für Schäden nicht verantwortlich, die in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistigkeit einem anderen zugefügt wurden. Durch § 827 BGB wird dem Umstand Rechnung getragen, dass unzurechnungsfähige Personen nicht individuell vorwerfbar schädigende Handlungen tätigen können.

    Zu beachten ist bei der Beurteilung der Deliktsfähigkeit, dass eine bloß geminderte Geistes- oder Willenskraft nicht genügt. Auch ein Betreuungsverhältnis nach §§?1896?ff BGB löst nicht zwangsläufig eine Deliktsunfähigkeit aus, kann jedoch die Vermutung für die Unzurechnungsfähigkeit des handelnden begründen. (HK-BGB/Ansgar Staudinger, 10. Aufl. 2019, BGB § 827 Rn. 1-6). Im Streitfall liegt die Beweislast der Deliktsunfähigkeit beim Handelnden „Täter“.


    Gewöhnlich kann davon ausgegangen werden, dass Menschen mit (schweren) geistigen Behinderungen unfähig sind, ihr Handeln als falsch wahrzunehmen. Es ist jedoch denkbar, dass im Zeitpunkt der Handlung, der zum Schaden führt, die Person die erforderliche Einsicht besaß. Dies hat dann zur Folge, dass die handelnde Person nunmehr zur Verantwortung gezogen werden kann. Die Beweislast der Unzurechnungsfähigkeit liegt dann bei der handelnden Person.


    c. Benötigt ein Mensch mit (geistiger) Behinderung, der nicht geschäfts-und deliktsfähig ist eine Haftpflichtversicherung?
    Ein Mensch mit (geistiger) Behinderung wird in das bestehende Versicherungsverhältnis seiner Eltern hineingeboren.
    (https://bvkm.de/wp-content/uploads/2019/08/versicherungsmerkblatt.pdf)

    Menschen mit geistigen Behinderungen, die nicht geschäfts- und deliktsfähig sind, haften im Schadenfall nicht. Es ist jedoch zu beachten, dass in einem Streitfall die Delikts- und Geschäftsunfähigkeit von demjenigen zu beweisen ist, der sich drauf beruft.

    Auch wenn die (geistig behinderte) Person nicht deliktsfähig ist, sollte beachtet werden, dass eine Haftung nur dann ausgeschlossen ist, wenn die Eltern oder die aufsichtspflichtige Person ihre Aufsichtspflicht nicht vernachlässigt haben.
    Sollte eine Aufsichtspflichtverletzung vorliegen, besteht die Möglichkeit der Haftung der Aufsichtsperson


    Ich hoffe, das hilft dir weiter.
    Viele Grüße
    Annemarie“

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  • Vielen Dank für die sehr informativen Antworten; meine Frage ist damit ausreichend beantwortet.
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