Gute Prothesenwerkstatt

Hallo zusammen,

Ich suche nach einer wirklich guten Prothesenwerkstatt.

Meine Tochter hat vor fast 2 Jahren eine Unterarmamputation hinter sich gebracht. Sie hat einen sehr kurzen Stumpf... ihr Unterarm endet ca 2 cm über dem Ellbogengelenk.

Bisher hat sie 2 Schmuckprothesen bekommen, die aber nicht getragen werden. Die erste rutsche, die zweite ist bombenfest- schränkt aber so dermaßen ein, dass keine Verwendung gewünscht ist. Mit der 2. Prothese hat der arm auch grundsätzlich eine leichte Beugestellung, sehr unpraktisch. Das würde ich als Kind auch nervig finden.

Eigentlich sollte mit der Prothese 1. Das Körperliche Gleichgewicht hergestellt werden und 2. Kraft und Gefühl aufgebaut werden um danach eine Myo tragen zu können.

Da sie die aber nicht tragen will, hat sich das erledigt soweit. Eine Myo wünscht sie sich aber trotzdem. Das Problem wird das Gewicht werden, da sie mit den 2 cm des Unterarm natürlich nicht viel heben kann. Ungefähr so als würde man mit dem kleinen Finger eine Sport Tasche heben wollen.

Kennt einer von Ihnen einen guten Prothesentechniker , eine gute Werkstatt, die vielleicht für sie eine Lösung erarbeiten könnte ?
Es muss doch noch andere Möglichkeiten geben, damit sie wenigstens die Chance hat es auszuprobieren.

Für Tips wäre ich dankbar.

Meine Tochter ist übrigens 7.

Liebe Grüße

Stina




Antworten

  • Hallo,

    Ich bin nicht der absolute Spezialist für Arm- und Handprothesen, habe aber mein Hanikap (Beinprothese) zum Hobby gemacht und schaue auch mal über den Zaun...

    Wie alt ist deine Tochter?
    Wo wohnt ihr?
    Eine Handprothese bei Kindern wird oft gemacht, um die Nerven der Eltern zu beruhigen. Das nützt dem Kind aber nichts. In der Regel gehen Kinder auch sehr unbefangen mit ihrer Behinderung um und kommen auch so gut zurecht.
    Wenn man permanent den OT wechselt, nimmt man immer ein Problem mit: sich selbst.
    Eine funktionierende Prothesenhand ist natürlich eine große Erleichterung im Leben und bedeutet Lebensqualität. Sie darf aber die Behinderung nicht verstärken.

    2 cm Unterarm ist nicht viel. Ich wüsste jetzt nicht, wie man da eine Prothese dran hängen kann. Ich habe aber auf der letzten Messe eine sehr interessante Lösung und Technik gesehen. O das für deine Tochter in Frage kommt, kann ich natürlich nicht beantworten. Bei dieser Technik, es ging um Oberarm-amputierte, wird der Muskel der den Unterarm ansteuert (Bizeps und Trizeps) in 8 Segmente aufgeteilt. An diese Segmente werden die Nerven des Unterarm angeschlossen. Somit können jetzt mit diesen ursprünglich 2 Muskeln, 8 Signale erzeugt werden. Diese 8 Signale werden myolektrisch durch auf der Haut sitzende Elektroden abgegriffen. Damit ist es theoretisch möglich, 256 Signal-Kombinationen zu produzieren.
    Im Falle deiner Tochter wäre es vielleicht sonnvoll, auf die Originale Funktion des Ellenbogen zu verzichten und einen myolektrischen Ellenbogen + Myolektrische Hand wie Bebeonic oder iLimb einzusetzen.

    Eine Prothese, ob Arm oder bein ist ein fortlaufender Prozess, der eine gutes Team aus Orthopädietechniker und Anwender erfordert. Ggf. unter Hinzuziehung eines Physiotherapeuten. Da eine Amputation keine Krankheit darstellt, haben Ärzte von Prothesenversorgungen so gut wie keine Ahnung. Es sei denn, sie sind zufällif in einem der wenigen Zentren mit Technischer Orthopädie Tätig (gewesen). Für den Arzt ist mit der Wundheilung der Fall abgeschlossen. Er "Leitet" zwar die Versorgung, schreibt aber allenfalls der das rezept raus, das ihm der TO vorschlägt. Das kann jeder Hausarzt.

    Bei Fragen zu weiteren Details, gerne per PN






  • Armprothesen sind aus meiner Erfahrung eine echte Gratwanderung.

    Wenn es nicht genug Stumpflänge gibt, um gescheit was zu machen, ist das Grund genug, keine Armprothese zu tragen; oder, der Weg bis mans dann hat ist so aufwendig, dass es sich wie nicht "lohnt", wobei man sagen muss, dass das jeder selber entscheidet, was sich lohnt oder nicht.

    Bei Myoelektrik hatte ich das Problem, dass mein Stumpf (lang, dünn, am ganzen Arm kaum Fett um "bequem" reinzudrücken um was festzuklemmen) auch noch Schwankungen im Umfang hat. Der übliche Hartschaft der über den Ellbogen geht war derart unbequem, dass ich bereits nach Tragen eines normalen Einkaufskorbs dort flächige Hautunterblutungen bekam. Es wurden dann vielleicht 3 Monate lang verschiedene Custom Liner, Silikonliner in Einzelanfertigung, probiert, wobei die entweder ein ganz wenig zu eng waren, worauf nach 1-2 Stunden der Stumpf extrem weh tat, oder 1-2 mm auf der lockereren Seite und das Zeug einfach runterrutschte und gar nicht hielt. Was am besten hielt, und das aber auch nicht besonders, war einen Liner-Teil mit Gelbeschichtung vom Rand des Schafts über den Ellbogen auf den Oberarm hochzuziehen. Dann ging es halbwegs, wenn man ruhig sass. Aber wer sitzt schon immer nur ruhig herum. Nun habe ich einen normalen Alphaliner mit Magnetelektroden, aber da ist es elektrisch irgendwie ein Ding, dass die nicht immer gleich gut (oder überhaupt) funktionieren, und die Magnete gehen dauernd ab.

    Bei der Eigenkraftprothese geht es einigernassen; der Unterschied ist dass dort der Liner eng sein kann, der Schaft weiter, ohne dass Elektroden dauernd auf der Haut sein müssen. Man ist freier in der Mechanik, sozusagen. Dort habe ich jetzt eine Kombination von Teilen, das dauerte selbst schon so etwa 3 Jahre bis wir es hatten, und es war extrem aufwendig, aber das geht. Und auch dann ziehe ich die Prothese auch oft dann nicht an, wenn die Haut am Stumpf von 2 Wochen richtig arbeiten mit Prothese so aufgeramscht ist, dass sie sich wieder erholen sollte. Habe ich die Prothese allerdings nicht an, erholt sich die Haut zwar von der flächigen Krafteinwirkung die geschieht wenn man eine Prothese anhat, wobei auch die beste Kombination an Materialien (hauchdünne Schlauchgaze, Gelliner) nicht verhindert, dass bei richtiger Arbeitsbelastung ("sehr" schwere Gewichte manipulieren, etc) die Haut eben doch über Wochen dann leidet. Aber wenn ich das Ding nicht trage, geht die Haut am Stumpf sonst drauf: ich schlage mich an, es gibt Schürfungen, Schnittverletzungen, Verbrennungen wenn manb zB in der Küche nicht immer so aufpasst am Herd oder Backofen, oder mit dem Bügeleisen, und so ist eigentlich immer wieder etwas los.

    Bebionic, iLimb, etc. sind für echte Greiffunktion im Grunde Unsinn. Das sind hochgelobte und aufgeplusterte Fantasieprodukte, die, wenn Du damit anfängst alltäglichen Unsinn zu machen wie Kuchen backen, Auto waschen, mit Nadel und Faden Sachen flicken, zu Hause staubsaugen, oder nur schon Büroarbeiten den ganzen Tag, extrem rasch an sehr enge Grenzen stossen. Sie gehen auch von selbst rasch kaputt. Sie sind sicher cool und "haben Potential", und die Werbung ist sehr undurchsichtig und gut gemacht, aber ich rate jedem, der zuverlässige Greiffunktion sucht, davon ab. Was toll geht ist, das Ding gebrauchsfrei in der Gegend herumzuschwenken - sieht wirklich gut aus, macht echt was her. Aber für echtes Zupacken würde ich abraten. Kann man trotzdem kaufen, aber einfach nicht wundern wenn man nachher so richtig leer schluckt.

    Wenn es eine myoelektrische Prothese sein muss, würde ich vorschlagen, was zu suchen, wo die Elektroden gut auf die Haut kommen und zuverlässig dort sind, Tag für Tag, und den Schaft nicht zu weit hoch ziehen. Wie man die Prothese so befestigt, dass sie sicher am Oberarm hält, müsst Ihr mit dem Techniker herausfinden. Je zuverlässiger gerade eine myoelektrische Prothese "montiert" ist, umso weniger ist sie bequem, und je bequemer die Prothese bei zuverlässigem Sitz ist, umso weniger ist es eine myoelektrische Prothese - die Armprothetik ist gekennzeichnet durch extrem eng begrenzte Möglichkeiten, die aber kaum jemand zugibt oder wahrhat.

    Die myoelektrische Steuerung an sich, unbeachtet der Greifer / Hände, die man damit ansteuern kann (ob man eine einfache oder komplizierte Prothesenhand, oder einen Greifer oder Hook anschliesst, ist da egal) ist für sich herrlich unzuverlässig. Ich habe das mal ausgerechnet für das tägliche Aus-/einräumen einer Geschirrspülmaschine: die myoelektrischen Prothesen haben ja eine optimale Erkennungsrate des Signals von etwa 70-90%., Das heisst, dass von 10 Tassen 1-3 zu Boden gehen. Rechnest Du mal über 1 Monat aus, was Du da an kaputtem Geschirr ersetzt, ist so ein Ding alleine deswegen unerschwinglich. Es heisst dann immer, "man ist da heute sehr weit" - aber das stimmt nicht. Ich habe mir erlaubt, Studien über die letzten 40 Jahre rauszusuchen und die Error-Raten verglichen. In idealen Laborbedingungen (was man im Alltag fast nie hat) sind diese über 40 Jahre stabil, d.h., es gibt keinen Fortschritt.

    Was die multi-elektroden-basierte Steuerung angeht, ist das ein Drama für sich. Normalerweise tut man 2 Elektroden auf die Haut - eine für "auf", eine für "zu". Die kommen dort hin am Stumpf, wo das Signal das beste Signal-zu-Rauschen-Verhältnis hat. Verwendet man mehr Elektroden, sitzen die logischerweise an Stellen am Arm, wo die Muskeln schlechtere Signale liefern und man hat am Ende vielleicht 6 oder 8 Elektroden, von denen ausser 2 zumeist unbrauchbar schlechte Signale liefern. Damit reisst Du die Problematik auch nicht in den Spassbereich. Wird diese Muskel-Reinnervation chirurgisch angelegt, hat man zwar schon wie oben schön beschrieben 8 Segmente mit gutem Signal - nur sind diese Stellen am Stumpf dann so klein und so fest in ihre kleinkreisigen kleinflächigen Konfiguration beschränkt, dass der Prothesenschaft extrem satt sitzen muss, dass die Elektroden immer am extrem genau richtigen Ort sind. Das ist dann wieder recht unbequem. Demgegenüber sind die konventionellen Prothesen mit nur 2 Elektroden auf einem Armstumpf, an dem niemand die Nerven neu verlegt hat, doch etwas unproblematischer in der Platzierung, da die Elektroden da meist nur auf etwa 1-2 cm genau sitzen müssen und immer noch ein einigermasen vernünftiges Signal bekommen. Verrutscht der Schaft aber nach diesen 8-Segment-Eingriffen nur ganz wenig, ist sofort aus die Maus und man steuert nichts mehr an, trotz (oder gerade wegen) all dem Aufwand. Wie gesagt ist der Spielraum, den man hier hat, auch bei dieser neuen Technik so eng, dass vernünftigerweise oft auf diese Sachen verzichtet wird.

    Entwickler und Chirurgen sind manchmal sehr an diesen Technologien interessiert, da sie neue Wege aufzeigen, neue Ideen zulassen. Dafür suchen sie auch immer Amputierte, die da mitmachen. Aber ob diese Prototypen im Alltag so super sind, ist zu bezweifeln. Auch die Handtransplantation ist ein Unterfangen, das zwar Vorteile haben mag, aber das auch geradezu extreme Nachteile hat - von irrsinnigen Aufwänden in Physiotherapie und Ergotherapie über massive Nebenwirkungen von Immunsuppresiva bis hin zu den sehr, sehr hohen Kosten bei vergleichsweise geringer Funktion gilt es hier ebenfalls, sehr vorsichtig abzuwägen.

    Also die utilitaristischen Hardliner unter Armamputierten neigen dazu, wenns drauf ankommt, eine Eigenkraftprothese, meist mit einem technischen Greifer, anzuziehen, und wenn es nicht drauf ankommt, keine Prothese zu tragen.
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