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Seltene Krankheiten, Millionen Betroffene

Wie der Name verrät, sind von den sogenannten „Seltenen Krankheiten“ mit sehr komplexen Krankheitsbildern jeweils relativ wenige Menschen betroffen. In Anbetracht von bis zu 8000 verschiedener Krankheiten haben aber Millionen Menschen eine seltene Krankheit.

Haben Sie schon einmal etwas von Glutarazidurie gehört? Oder vom Wiskott-Aldrich-Syndrom? Vielleicht vom Alien Hand-Syndrom? Wenn nicht, hat das wahrscheinlich damit zu tun, dass diese Krankheiten zu der Gruppe der sogenannt „Seltenen Erkrankungen“ gehören. Wann eine Krankheit als selten gilt, ist je nach Land oder Kontinent unterschiedlich.

In Europa gilt eine Krankheit als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Einwohnern an dieser Erkrankung leiden. In den USA sind es 7,5 von 10.000 Einwohnern, in Japan 4 von 10.000 und in Australien 1 von 10.000. Von den bis heute ungefähr 30.000 identifizierten Krankheiten werden ungefähr 7000 bis 8000 der Gruppe der seltenen Krankheiten zugerechnet.

30 Millionen Betroffene in Europa

Während von den einzelnen Krankheiten also relativ wenige Menschen betroffen sind, sind diese Krankheiten aber zusammen genommen durchaus kein seltenes Phänomen. Schätzungen und Hochrechnungen zufolge haben in Europa 30 Millionen Menschen eine seltene Krankheit, davon rund vier Millionen in Deutschland.

Sämtliche Bereiche der Medizin betroffen

80 Prozent der seltenen Krankheiten sind genetischer Natur. Zu den übrigen Prozent gehören extrem seltene Infektionskrankheiten, Autoimmunkrankheiten und seltene Krebsformen. Seltene Erkrankungen manifestieren sich in nahezu allen Organen und betreffen vielfach mehrere Organe gleichzeitig. Sämtliche Bereiche der Medizin sind betroffen.

Für eine Vielzahl von Erkrankungen kennt man den Grund bis heute nicht. Auch Umwelteinflüsse während der Schwangerschaft oder in späteren Lebensjahren – häufig in Kombination mit genetisch bedingter Anfälligkeit – können die Ursache sein.

Mukoviszidose, Huntington, Alien Hand-Syndrom

Einige der Seltenen Krankheiten sind bekannter als andere, viele kennt man in der Regel überhaupt nicht. Zu den bekanntesten gehören die Mukoviszidose, angeborene Stoffwechselerkrankungen, aber auch seltene rheumatische Erkrankungen oder Krebserkrankungen, bei denen sich im Körper Metastasen gebildet haben, der ursprüngliche Tumor jedoch unbekannt ist. Sogar Farbsehstörungen oder die Nervenkrankheit Chorea Huntington gehören dazu.

Nahaufnahme einer medizinischen Untersuchung | © pixabay Die meisten Patient*innen legen einen langen Weg bis zu einer endgültigen Diagnose zurück. (pixabay)

Es gibt aber noch exotischere Krankheitsbilder, wie zum Beispiel das eingangs erwähnte Alien Hand-Syndrom. Von dieser Krankheit betroffene Menschen haben die eigene Hand nicht mehr unter Kontrolle. Im Extremfall würgen sich Betroffene selber bis zur Ohnmacht, oder sie knöpfen sich in der Öffentlichkeit die Hosen auf. Mal schnellt die Hand in die Höhe, mal greift sie nach imaginären Dingen. Kurz: eine Hand führt ein Eigenleben. Diesem unkontrollierten Handeln liegt eine Schädigung des Gehirns zu Grunde, die oft durch einen Schlaganfall oder einen Hirntumor ausgelöst wird.

Seit Ende des 20. Jahrhunderts gilt auch Trichotillomanie als eigenständiges Krankheitsbild. Dabei handelt es sich um eine komplexe Störung der Impulskontrolle, die sich darin äußert, dass sich Betroffene die eigenen Haare ausreißen. Zwei bis drei Prozent der Menschen sollen an dieser Zwangsstörung leiden.

An einer genetischen Erkrankung mit dem Namen Prader-Willi-Syndrom wiederum leiden weltweit bis zu 400.000 Menschen. Die ersten Anzeichen der Krankheit im Säuglingsalter sind meist Fütterungsschwierigkeiten und eine verminderte Muskelspannung der Kinder. Im Verlauf der Erkrankung entwickelt sich bei den betroffenen Kindern jedoch ein ungebremstes Essverhalten, so dass das Prader-Willi-Syndrom die häufigste, auf einen Gendefekt zurückführbare Ursache für eine Fettleibigkeit ist.

Progerie – das frühe Altern

Von der Krankheit Progerie – vorzeitiges Altern – sind in Europa rund 400.000 Menschen betroffen. Ursache für die Erkrankung ist eine Veränderung auf einem Gen für ein bestimmtes Zelleiweiß, das die Wände des Zellkerns stabilisiert. Fehlt das Eiweiß, sind die Wände des Zellkerns geschwächt und verformt. Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass die Erbsubstanz vorzeitig abgebaut wird. Die Betroffenen beginnen schon im Kindesalter zu vergreisen, meist werden die Kinder nicht älter als 14 Jahre.

Jahrelange Odyssee bis zu einer Diagnose

Die geringe Zahl von Betroffenen bei den einzelnen Krankheitsbildern bringt eine Reihe von Problemen mit sich. So bestehen in der Versorgung der Betroffenen zum Teil erhebliche Defizite in Diagnostik und Therapie. Für die Patient*innen und ihre Angehörigen bringt die Erkrankung oft eine schier endlose Reihe von Arztkonsultationen und Untersuchungen mit sich, bis eine Diagnose – wenn überhaupt – gestellt werden kann. Sehr oft erfolgt eine korrekte Diagnose zu spät oder gar nicht.

Da die Erkrankungen oft mehrere Organsysteme betreffen, sind interdisziplinäre Therapieansätze erforderlich, die nur wenige spezialisierte Zentren leisten können. Eine wirksame Kausaltherapie steht in vielen Fällen nicht zur Verfügung und kann erst erarbeitet werden, wenn die eigentlichen Krankheitsursachen geklärt sind.

Frau betrachtet etwas durch ein Mikroskop | © pixabay Forschung muss international vernetzt erfolgen (pixabay)

Pharmakonzerne denken um

Generell gilt: je seltener die Erkrankung, desto schwieriger die systematische Erforschung. Je seltener die Erkrankung, desto geringer war bis vor kurzer Zeit aber auch die Bereitschaft der Pharmaindustrie, Medikamente zu entwickeln. Denn je kleiner der Markt, desto kleiner die Rendite für die Unternehmen. In den letzten Jahren hat aber ein Umdenken stattgefunden. Dutzende Forschungsprojekte laufen derzeit in Europa und den USA. Die Investitionen erfolgen, weil man festgestellt hat, dass die Krankheitsbilder oftmals Modellcharakter für weiter verbreitete Krankheiten haben.

Auch wenn sich die Entwicklung sogenannter Orphan Arzneimittel (Orphan Drugs) verbessert, so sind sie trotzdem in viel zu geringer Anzahl vorhanden, oder für die meisten Seltenen Krankheiten noch gar nicht. Die Stärkung der Verbindung zwischen Universitäten und der Industrie können im Hinblick auf die Schaffung neuer diagnostischer und therapeutischer Mittel entscheidend sein.

Staatliche Unterstützung

In Deutschland wird die Erforschung von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen für Seltene Erkrankungen gefördert. So gibt es zur Erforschung, Entwicklung und Vermarktung von Arzneimitteln zur Behandlung Seltener Erkrankungen Anreizsysteme und Fördergelder. In Deutschland fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF seit 2003 die Etablierung von krankheitsspezifischen Netzwerken. Ziel ist die Zusammenführung der nationalen Kapazitäten in Forschung und Versorgung, um die Voraussetzungen für eine spezifische Diagnose, eine systematische Forschung, einen optimalen Informationstransfer und eine kompetente Patientenversorgung zu schaffen.

Die nationale Förderung schafft die Grundlage für eine verstärkte internationale Vernetzung dieser Forschung, denn die Problematik der seltenen Erkrankungen reicht über nationale Grenzen hinaus. Etliche Erkrankungen können nicht einmal durch Bündelung nationaler Kapazitäten ausreichend erforscht werden.

Die EU versucht, die geringen zur Verfügung stehenden Mittel, die zudem noch über die einzelnen EU-Länder verstreut sind, zusammenzuführen. Zu den konkreten Maßnahmen gehören die Verbesserung von Anerkennung und Sichtbarkeit seltener Krankheiten, die Unterstützung nationaler Pläne für seltene Krankheiten in den EU-Ländern, die Stärkung der Zusammenarbeit und Koordination auf Ebene der EU, die Errichtung europäischer Referenznetze und das Schaffen von Anreizen für mehr Forschung im Bereich seltener Krankheiten.


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